Es gilt das gesprochene Wort

Drama | Deutschland/Frankreich 2019 | 122 Minuten

Regie: Ilker Çatak

Eine deutsche Pilotin nimmt sich eine Auszeit von einer Beziehung und lässt sich an der türkischen Riviera von einem Gigolo umwerben. Als der sie um eine Scheinehe bittet, damit er in Deutschland leben kann, willigt sie kurzerhand ein. Wider Erwarten entwickelt sich daraus eine große, leidenschaftliche Liebesgeschichte zwischen zwei sehr unterschiedlichen Menschen. Das vielschichtige Drama lebt von lebensechten, sehr bissigen Dialogen und komplexen, detailgenau entworfenen Figuren, die von zwei außergewöhnlich gut harmonierenden Darstellern mit viel Leben gefüllt werden. Untergründig geht es dabei auch um aktuelle Themen wie Integration und Identität. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Frankreich
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
if... Productions/Loin derrière l'Oural/arte/ZDF
Regie
Ilker Çatak
Buch
Ilker Çatak · Nils Mohl
Kamera
Florian Mag
Musik
Marvin Miller
Schnitt
Jan Ruschke · Sascha Gerlach
Darsteller
Anne Ratte-Polle (Marion) · Oğulcan Arman Uslu (Baran) · Godehard Giese (Raphael) · Özgür Karadeniz (Ferdi) · Jörg Schüttauf (Mark)
Länge
122 Minuten
Kinostart
01.08.2019
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Liebesfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Al!ve
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Vielschichtiges Liebesdrama um eine deutsche Pilotin, die sich an der türkischen Riviera von einem Gigolo umwerben lässt und ihn zum Schein heiratet, damit er in Deutschland leben kann.

Diskussion

Baran ist ein Profi. Das war der Tellerwäscher in der Strandbar in Marmaris nicht von Anfang an. Aber Baran hat seine Kollegen genau beobachtet: ihre simplen Strategien, ihre Taschenspielertricks, eine Art Code oder das Spiel mit bekanntem Ausgang zwischen den Frauen mit Geld aus dem Westen und den türkischen Gigolos.

Regisseur Ilker Çatak beginnt seinen Film mit Baran, einem Mann, der buchstäblich nichts zu verlieren hat. Im Zentrum von „Es gilt das gesprochene Wort“ steht aber Marion: eine, die zunächst glaubt, nichts mehr zu verlieren zu haben. Auch Marion ist ein Profi. Sie ist Pilotin, die sich abgebrüht und cool durch eine von Eitelkeiten und Hybris geprägte Männerwelt bewegt.

Sie gewinnt immer

Anfangs sieht man sie in einer Szene im Cockpit über den Wolken, wo sie so knallhart wie rhetorisch elegant ihren unaufmerksamen, aber überheblichen Co-Piloten auflaufen lässt. Sarkasmus und Ironie sind ihre Waffen, sich die Welt vom Hals zu halten. Auch ihren Freund Raphael, einen Berufsmusiker mit Familie, hält sie so auf emotionaler Distanz. Er spielt das Spiel mit, als wäre es seines, als ginge es darum, zu gewinnen. Doch es ist Marions Spiel. Und sie gewinnt immer.

Çatak und sein Co-Autor Nils Mohl zeichnen die Figuren präzise; sie charakterisieren sie vor allem über ihre Sprache, in lebensechten, manchmal bissigen und sehr witzigen Dialogen. Baran ist zurückhaltend und vorsichtig, er macht nicht viele Worte, wohl auch, weil er entdeckt hat, dass das auch nach hinten losgehen kann. Marion und Raphael liefern sich vordergründig witzige, wortreiche Gefechte: so virtuos wie destruktiv kaschieren sie auf diese Weise Verletzungen und Selbstverletzungen. Ebenso detailgenau werden auch die Milieus geschildert, von den Gigolos im Touristenort über Marions oder Raphaels Arbeitswelt bis hin zu Nebenschauplätzen wie dem Standesamt oder einer Schule – meist ohne naheliegende Klischees zu benützten.

Marmaris, Strandbar, Schnäppchenpreis

Als Marion erfährt, dass sie schwer krank ist, reagiert sie darauf ausnahmsweise erwartbar. Härter als mit anderen geht sie nur mit sich selbst um. Raphael schlägt eine Reise in die Türkei vor. Last Minute, Marmaris. Schnäppchenpreis, Strandbar, Hotel. Als ihr Freund für sie da sein will und Nähe einfordert, zieht sie die Notbremse.

Anne Ratte-Polle erfasst die Rolle der Marion vollkommen, ihre Blicke und Gesten, aber auch ihre Intonation zeichnen das Bild einer zutiefst verletzten Frau, die sich über die Jahre einen auch für sie selbst undurchdringlichen Panzer antrainiert hat. Gemeinsam mit ihrem Gegenüber Oulcan Arman Uslu als Baran macht sie die Risse sichtbar. Die Chemie zwischen den Schauspielern stimmt; ihre Kombination ist beispielhaft für ein kongeniales Casting.

Bemerkenswert ist auch die Abwesenheit eines allzu deutschen Erklärzwangs, der Mut zur Lücke. Mündige Zuschauer dürfen beispielsweise darüber nachdenken, warum Marion sich dafür entscheidet, Baran auf seine dringliche Bitte hin mit nach Deutschland zu nehmen; sie dürfen die widerstreitenden Gefühle der Figuren kombinieren – und aushalten. Aus diesen Widersprüchlichkeiten erwächst eine große Spannung; die Figuren sind wie im realen Leben komplex und schwer zu durchschauen, ihr Handeln und ihre Entscheidungen sind nicht abschätzbar. Ein paar dramaturgische, der Klimax zuarbeitende Taschenspielertricks am Ende wären gar nicht notwendig gewesen.

Eine große Liebesgeschichte

Es fällt gar nicht auf, dass „Es gilt das gesprochene Wort“ auch über gegenwärtig so relevante Themen wie Integration spricht. „Es gilt das gesprochene Wort“ ist kein Thesenfilm, der wesenhaft zum Erklärzwang neigt, sondern eine große, wahrhaftige Liebesgeschichte und ein Drama, das sich im Herzen wie in den Wortwitzen die Leichtigkeit einer romantischen Komödie bewahrt.

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