Am Anfang blickt eine der Hauptfiguren, Laura Barlowe (Natalie Portman), aus dem von den Nazis besetzten Paris während des Zweiten Weltkriegs zurück auf das, was sie „Vorkriegszeit“ nennt – und dabei bemerkt, dass man freilich immer erst später weiß, dass jene Zeit auf einen Krieg zusteuert. Von dort aus entfaltet sich als lange Rückblende ein schillerndes Porträt dieser "Vorkriegszeit". Zunächst sieht man einen sternenübersäten Nachthimmel und einen Zug, der gen Paris rauscht. „Planetarium“ heißt Rebecca Zlotowskis Film im Original, und die Sterne, deren Licht durch die Dunkelheit des Alls zu uns reist und die dann, wenn wir sie sehen, vielleicht schon längst verloschen sind, sind eines der mit vager Bedeutung aufgeladenen Motive, die der Film lustvoll antippt, ohne sie allerdings konsequent in einen Sinnzusammenhang zu bringen.
Er ist ein bestechend schönes, aber auch ziemlich konfuses Zeitbild aus den 1930er-Jahren, in dem es um den erstarkenden Antisemitismus und die Vorahnung des Krieges geht, aber auch um Kino und Spiritismus als zwei unterschiedliche Modi, die Geheimnisse des menschlichen Daseins zu erforschen und Dinge über ihr natürliches Vergehen hinaus präsent zu halten. Mit dem Zug steuern die Amerikanerin Laura und ihre jüngere Schwester Kate (Lily-Rose Depp) die nächste Station einer Europatournee an: Die beiden Schwestern sind Medien, die zur Verblüffung des Publikums öffentliche und private Séancen abhalten und in Paris auf zahlende Kundschaft hoffen.
Während sie auf der Bühne glamourös und mysteriös rüberkommen, sieht ihr Leben jenseits davon finanziell prekär aus – bis der reiche Filmproduzent Korben (Emmanuel Salinger) auf sie aufmerksam wird, sie anheuert und bei sich wohnen lässt. Korben hat sich in den Kopf gesetzt, das französische Kino zu erneuern, etwas noch nie Dagewesenes zu schaffen – und was könnte spektakulärer sein, als mit dem Medium Film tatsächlich das Vorhandensein einer jenseitigen Dimension nachzuweisen, zu der vor allem die jüngere der Schwestern seiner Meinung nach unzweifelhaft einen Draht hat? Die ältere Laura ist es allerdings, die die größere Leinwandpräsenz hat, und so ist sie es, die bald vor die Kamera von Korbens Filmteam tritt und in den schillernden Kosmos der Filmleute eintaucht, während Korben sich mit Kate immer mehr in Studien des Paranormalen versteigt. Und zu spät mitbekommt, dass sich die Stimmung in seinem Studio immer mehr gegen ihn, der jüdischer Herkunft ist, richtet.
Lose erinnert diese Geschichte um den zu Fall kommenden Film-Visionär an das Schicksal des in Rumänien geborenen, in Frankreich berühmt gewordenen und in Auschwitz ermordeten Bernard Natan (1886-1943). Der Regisseurin, die auch das Drehbuch mitgeschrieben hat, gelingt es jedoch nicht überzeugend, dieses Schicksal mit dem Plot um die Schwestern und ihre Geister schlüssig zu verbinden – ein bisschen hat man den Eindruck, als wäre hier versucht worden, zwei Ideen, die beide einen eigenen Film hätten tragen können, zusammenzuführen. Erzählerisch bleibt der Film damit ziemlich unbefriedigend und franst nach einem starken Auftakt in der zweiten Hälfte immer mehr aus. Als opulent ausgestattetes „period piece“ um eine Bohème, die die Grenzen des Erfahrbaren in unbekanntes Terrain hinein erweitern will, ist er freilich ein wahrer Augenschmaus. Und er ist einer der schönsten Auftritte, die die Schauspielerin Natalie Portman in den letzten Jahren hatte: Zlotowski beweist ein famoses Gespür für die spezielle Aura der Schauspielerin, die sie als komplexes Gemisch aus distanzierter Kühle und Verletzlichkeit, pragmatischer Klugheit und Sinnlichkeit in Szene setzt und in einem wahren Bilderrausch feiert.