Ein verborgenes Leben (2016)

Drama | Irland 2016 | 108 Minuten

Regie: Jim Sheridan

Ein Arzt soll über das Befinden einer Patientin urteilen, die seit fast einem halben Jahrhundert in einer psychiatrischen Anstalt einsitzt. In den Gesprächen mit der alten Frau entfaltet sich ein Schicksal, das durch ein Konglomerat aus kirchlicher und gesellschaftlicher Bigotterie und Nationalismus in Irland während des Zweiten Weltkriegs auf fatale Weise aus der Bahn geworfen wurde. Dank guter Darstellerinnen gelingt eine durchaus faszinierende Zeichnung der weiblichen Hauptfigur, die trotz allen äußeren Drucks an ihrer inneren Wahrheit festhält. Um sie herum bekommt das Drehbuch jedoch die politisch-gesellschaftlichen Umstände, die ihre Passionsgeschichte bedingen, nicht in den Griff. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE SECRET SCRIPTURE
Produktionsland
Irland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Apollo Media/Ferndale Films/Irish Film Board
Regie
Jim Sheridan
Buch
Jim Sheridan · Johnny Ferguson
Kamera
Mikhail Krichman
Musik
Brian Byrne
Schnitt
Dermot Diskin
Darsteller
Rooney Mara (Rose als junge Frau) · Vanessa Redgrave (Rose als alte Frau) · Jack Reynor (Michael McNulty) · Theo James (Pater Gaunt) · Aidan Turner (Jack Conroy)
Länge
108 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Literaturverfilmung

Heimkino

Die Extras umfassen diverse Interviews mit Cast & Crew, von denen das mit Darstellerin Rooney Mara (9 Min.) das ausführlichste ist.

Verleih DVD
Senator/Universum (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Senator/Universum (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Diskussion
Es sei hier nicht üblich, dass Frauen Männern direkt in die Augen sehen, außer sie seien verheiratet, sagt Pater Gaunt (Theo James) an einer Stelle zu Rose (Rooney Mara). Die junge Frau ist, während in Europa der Zweite Weltkrieg tobt, aus Nordirland zu ihrer Tante in den kleinen Ort in der irischen Grafschaft Sligo gezogen, in dem einst auch ihre Eltern lebten. Rose ist schön, und sie ist auf eine Weise furchtlos, die weniger mit Tapferkeit zu tun hat als mit Unschuld: Rose ist (noch) nicht auf der Hut vor ihrer Umwelt, sondern lebenshungrig und offen. Womit sie schnell diverse Verehrer findet, aber in dem engstirnigen Milieu der kleinen Gemeinde auch zur Zielscheibe für Aversionen wird. Fatalerweise ist ausgerechnet der junge Pfarrer auf eine verklemmt-obsessive Art von ihr fasziniert, die sich schließlich äußerst destruktiv auf Roses Leben auswirkt. Zunächst aber scheint Rose in dem bei der britischen Royal Air Force als Piloten dienenden Michael McNulty (Jack Reynor) die Liebe ihres Lebens und das große Glück gefunden zu haben – bis die irischen Nationalisten des Ortes, die alle anfeinden, die mit den Briten gemeinsame Sache machen, dem auf brutale Weise ein Ende setzen. Im Folgenden bekommt Rose grausam die Eifersucht von Gaunt zu spüren: Er sorgt dafür, dass sie wegen angeblicher Nymphomanie, zu der später noch Kindstötung kommt, in einer psychiatrischen Anstalt weggeschlossen wird – für nahezu ein halbes Jahrhundert. Jim Sheridans Verfilmung von Sebastian Barrys gleichnamigem Roman spielt wie die Vorlage auf zwei Zeitebenen. In einer Rahmenhandlung befasst sich der Psychiater Dr. Grene (Eric Bana) mit der alten Rose (Vanessa Redgrave), um im Zuge der Auflösung der psychiatrischen Anstalt ihren Zustand zu evaluieren und zu entscheiden, was mit ihr geschehen soll. In den Gesprächen mit der Patientin und als lange Rückblenden rollt sich dann allmählich die Liebes- und Leidensgeschichte aus Roses Vergangenheit auf, die diese in einer Bibel notiert hat, passenderweise zwischen die Zeilen und an die Ränder des Buchs Hiob gedrängt. Ähnlich wie Stephen Frears in „Philomena“ (2013) beleuchtet Sheridan damit, wie verheerend die Bigotterie der katholischen Kirche und im Verbund damit das restriktive gesellschaftliche Klima im Irland des 20. Jahrhunderts das Leben von Frauen ruinieren konnte, wobei bei Sheridan auch das Konglomerat von katholischer Kirche und irischem Nationalismus eine Rolle spielt. Rooney Mara und auch Vanessa Redgrave schaffen es, diese weibliche Passion nicht zur reinen „sob story“ werden zu lassen, sondern der Figur eine innere Stärke mitzugeben, die sie durchaus faszinierend wirken lässt. Allerdings bekommt das Drehbuch um sie herum die Literaturvorlage nicht wirklich in den Griff: Der häufige Wechsel zwischen den Zeitebenen stört immer wieder den Erzählfluss, und die Nebenfiguren sowie mit ihnen der gesamte politisch-gesellschaftliche Hintergrund von Roses Schicksal wird nur in ganz groben Zügen skizziert und wirkt dabei einigermaßen klischeehaft. Wenn dann am Ende der große melodramatische Twist kommt und sich die Geheimnisse, die sich um Roses Vergangenheit gerankt haben, auflösen, tun einem die exzellenten Darsteller fast etwas leid, die ihr Bestes tun müssen, um dem Schmalz, der aus der Inszenierung trieft, Paroli zu bieten. Im Vergleich zu Meisterwerken wie „Im Namen des Vaters“ und „Der Boxer“ zeigt sich der irische Altmeister Jim Sheridan hier nur in sehr mäßiger Form.
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