Eleanor Riese wird wegen chronisch-paranoider Schizophrenie in einem Hospital für psychische Krankheiten behandelt. Als sie eines Abends wegen einer Nichtigkeit einen Wutanfall bekommt, wird sie von den Pflegern gegen ihren Willen mit Medikamenten ruhiggestellt und in eine Arrestzelle geschleift. Niemand reagiert auf ihre Schreie, nicht einmal die Toilette darf sie aufsuchen. Um nie wieder in eine derart entwürdigende Situation zu geraten, verlangt sie am nächsten Morgen einen Anwalt. Colette Hughes übernimmt den Fall. Unterstützt von ihrem Mentor und Kollegen Mort Cohen will sie das Krankenhaus verklagen und für ihre Klientin das Recht erstreiten, an Entscheidungen zu ihrer Behandlung beteiligt zu werden. Das scheint zunächst ein aussichtloses Verfahren zu sein. Das Establishment aus Pharmaindustrie und Ärzten ist übermächtig. Doch die Anwältin lässt sich nicht einschüchtern und verfolgt die Klage durch alle Instanzen – bis hin zum Obersten Gerichtshof der USA.
„Eleanor & Colette“ beruht auf einer wahren Geschichte. Die beiden Protagonistinnen Eleanor Riese und Colette Hughes waren 1989 die zentralen Figuren in einem Bürgerrechtsfall, der Auswirkungen für 150.000 andere Patienten in Kalifornien hatte. Es geht also um Selbstbestimmung, um Respekt, um Bürgerrechte, „besonders für Menschen wie Eleanor, deren Rechte oft ignoriert werden, weil sie keine Stimme, kein Geld oder keine exponierte Stellung in unserer Gesellschaft haben“, wie Regisseur Bille August in den Produktionsnotizen anmerkt. Dahinter steckt auch die Erkenntnis, dass psychisch Kranke genug Hellsichtigkeit besitzen, um die Risiken unfreiwillig eingenommener Medikamente zu erkennen. In der Folge entspinnt sich daraus ein Gerichtsdrama, das den Konventionen des Genres gehorcht, mit Argumenten und Gegenargumenten, mit Zeugen für und gegen die Anklage, mit schwerwiegenden Entscheidungen und skrupellos-ehrgeizigen Anwälten.
„55 Steps“, heißt der Film im Original. Es sind jene 55 Stufen, die Eleanor Riese zum Obersten Gerichtshof hochgehen muss, um dort ihr Recht auf Selbstbestimmung einzuklagen. Da sie auch an einer Hüfterkrankung leidet, bereiten ihr diese 55 Stufen große körperliche Qual. Im übertragenen Sinne meint der Titel den weiten, beschwerlichen Weg, den Eleanor auf sich nimmt. Der deutsche Verleihtitel legt das Augenmerk hingegen auf die Beziehung zweier Frauen, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit Freundinnen werden. Diese Verschiebung des Fokus’ macht durchaus Sinn, denn die Freundschaft verändert beide Frauen und gibt ihnen Kraft.
Die Inszenierung verwendet viel Zeit auf die Charakterisierung der beiden Hauptfiguren und die Beschreibung ihrer Beziehung. Eleanor, von Helena Bonham Carter ebenso exzentrisch wie warmherzig gespielt, begegnet Colette zunächst mit großem Misstrauen: „Sind Sie nicht zu alt? Was haben Sie vorher gemacht? Bauchtanzen?“ Doch sobald sie sich für die von Hilary Swank verkörperte Anwältin entschieden hat, wandelt sich ihre Sorge in Offenheit und in die Zuversicht, den Fall zu gewinnen. Colette hingegen sieht sich zunehmend gezwungen, ihre professionelle Distanz, die sie bei anderen Mandanten gewahrt hatte, zu revidieren. Eleanor entwaffnet sie immer wieder durch ihre Energie, aber auch durch ihre Weigerung, die traditionelle Beziehung von Anwältin und Klientin anzuerkennen. Überdies hat sie auch noch einen wichtigen Rat für ihre neue Freundin: Colette müsse sich nicht nur für ihre Klienten einsetzen, sondern auch ihr eigenes Leben leben. Erst dann mache die viele Arbeit auch Sinn.