Unter seinem blondierten Bürstenhaarschnitt lässt Daniel Craig seine stahlblauen Augen aufblitzen. Durch den gestreiften Gefängnisanzug zeichnen sich die mit Muskeln und Tattoos bepackten Arme ab, mit denen er sich als Tresorknacker Joe Bang zwei hartgekochte Eier in den Mund schiebt. Er hat gerade Besuch von den Logan-Brüdern, die einer Familie selbst deklarierter Unglücksraben entsprungen sind: Jimmy und Clyde. Der Irak-Veteran Clyde schraubt abends schon mal die Arm-Prothese ab und schenkt als Barmann einen Drink ein. Der Ex-Footballstar Jimmy hat wegen seines Hinkebeins jüngst seinen Job als Trucker verloren. „Ein-Bein- und Ein-Arm-Bruder“, hatte ein Gast darüber mal gelästert, was seinem SUV schlecht bekam, den die Brüder kurzerhand „molotovisierten“.
In dieser frühen Barszene geben Adam Driver und Channing Tatum als Logan-Brüder den Ton des Films vor, der so gemächlich und herrlich komisch ist wie der Akzent der Figuren. In Szene gesetzt werden sie von Steven Soderbergh, dem Meister des Heist-Films, der sich von seinen Gentleman-Räubern aus der „Ocean’s“-Reihe gar nicht weiter entfernen könnte. Fernab von Las Vegas verpflanzt Soderbergh seine aberwitzigen Figuren nach West Virginia. In einen der ärmsten US-Bundesstaaten also, wo kleine Mädchen wie Jimmys Tochter Sadie für schreckliche Schönheitswettbewerbe aufgemotzt werden; wo Mütter wie Jimmys Ex-Frau mit viel zu brauner Haut, elaborierten Nägeln und freiem Bauch herumlaufen und wo der Zungenschlag so langsam ist, dass die Einheimischen zum „Charlotte Motor Speedway“ ins benachbarte North Carolina strömen.
Doch wo viele Menschen zusammenkommen, fließt auch ordentlich Geld. Das könnte angezapft werden. Im Unterschied zu den „Ocean’s“-Filmen aber wird hier nichts minutiös vorgeplant, sondern gleich angedockt und abgesaugt. Denn „Logan Lucky“ wirft mitten hinein in einen Coup, der auch ohne die genretypische Planungsmontage clever ausgetüftelt wurde. Ein Rohrpost-System lässt die Einnahmen der Ticket- und Fast-Food-Verkäufer direkt in den Tresorraum der örtlichen Bank sausen. Einen Teil dieser „Geld-Autobahn“ hat Jimmys Baufirma kürzlich aus Versehen freigelegt. Allerdings droht sich das Zeitfenster zu schließen, weshalb Joe Bang aus dem Gefängnis geholt werden muss. Viele der gewöhnungsbedürftigen Figuren erweisen sich dabei als nicht halb so doof, wie sie anfangs eingeführt wurden. Ähnlich wie der Film, der noch einen zweiten Plan in der Hinterhand hält.
Die Gaunergeschichte entwickelt sich unglaublich unterhaltsam vor der Folie eines anderen Amerika, das längst noch nicht durchdigitalisiert ist. So guckt Jimmy in „dem Google“ nach oder hantiert unbeholfen mit einem uralten Handy, während man in North Carolina vor lauter Selfie-Manier und Motoren-Geheul gar nicht mitbekommt, dass die Zeit der Unschuld längst vorbei ist, auch für die Kleinsten. Bei ihrem Auftritt würde sie gerne Rihannas „Umbrella“ singen, erklärt Töchterchen Sadie. „Das ist ein Code für Vagina“, erwidert ihr Stiefbruder, bevor der neue Mann von Jimmys Ex-Frau die Patchwork-Familie in seinen Geländewagen packt, um dieses „Fast & Furious“-Ding anzuschauen.
Schnell und wütend ist man in diesem Land keineswegs, eher gemächlich und tendenziell entspannt. Und so singt Sadie am rührenden Ende der pervertierten Miss-Show statt „Umbrella“ eben John Denvers „Take Me Home, Country Roads“ und enthüllt, was der Film im Grunde seines Herzens ist: ein Plädoyer für den Rückschritt, gegen die Künstlichkeit und für eine Langsamkeit, die sich auch in der Inszenierung widerspiegelt. „Logan Lucky“ erschafft eine Welt, in der ein kleines Mädchen mit einer Country-Hymne die Schalheit ihrer Umgebung entlarvt und in dem schockierend kluge Hinterwäldler die Pechsträhne der Logans noch einmal von hinten aufrollen: „West Virginia, Mountain Momma, Take Me Home, Country Roads.“