Dokumentarfilm | Israel/Deutschland 2016 | 72 Minuten

Regie: Tamar Tal Anati

Drei jüdische Brüder kehren nach 70 Jahren gemeinsam aus Israel nach Italien zurück, um dort jene Höhle zu suchen, in der sie sich im Winter 1943 mit ihren Eltern und Großmüttern versteckt hielten. Auf ihrer Reise durch die Toskana nähern sie sich einander an, doch ihre Erinnerungen weichen zum Teil erheblich voneinander ab. Nahezu parabelhaft, zugleich humor- und respektvoll stellt der anrührende Dokumentarfilm die Lebenshaltungen nebeneinander. Dabei richtet er den Blick auch auf allgemeine Fragen nach Erinnerungskultur, Verdrängung und geschichtlicher Wahrheit. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SHALOM ITALIA
Produktionsland
Israel/Deutschland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Tamar Tal Films/Celluloid Fabrik/Know Prod.
Regie
Tamar Tal Anati
Buch
Tamar Tal Anati
Kamera
Emmanuelle Mayer
Musik
Kobi Vitman
Schnitt
Boaz Lion
Länge
72 Minuten
Kinostart
04.05.2017
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Drei jüdische Brüder erinnern sich auf einer Reise an ihr Versteck während des Holocausts

Diskussion
Es ist Frühling in der Toskana, im Chianti-Gebiet bei Florenz. Zypressenhaine, sanfte Hügel, blühende Wiesen, lichte Wälder. Dieses unverwechselbare, weiche, gelbe Licht. Drei Brüder allein im Wald. „Shalom Italia“ von Tamar Tal Anati begleitet sie auf ihrer Suche: Sie wollen die Höhle finden, in der sich die wohlhabende jüdische Familie aus Florenz – vier Brüder, die Eltern, zwei Großmütter – über den Winter 1943 vor den Nazis versteckt hielt. 1945 war die Familie dann nach Israel ausgewandert. Die Großmütter und die Eltern sind tot, auch der vierte Bruder ist gestorben. Die Übrigen treffen sich zu einer Reise in die Erinnerung: Reuven, genannt Bubi, Andrea und Emmanuele, genannt Memme. Bubi, mit Mitte 70 der Jüngste der drei, lebt inzwischen ein halbes Jahr in der Toskana, ein halbes Jahr in Israel. In einem kleinen toskanischen Dorf betreibt er ein Bed & Breakfast, dorthin lädt er seine Brüder ein. Es ist Frühling, aber es ist kalt, elf Grad hat es in Emmanueles Schlafzimmer. Er beklagt sich. Er verstehe nicht, sagt der 84-jährige Professor für Archäologie, Anthropologie und prähistorische Kunst gleich zu Beginn, warum sie sich auf diese Reise machen müssen: „Ich will mich nicht erinnern.“ Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Andrea – ein dynamischer, sportlicher Mann mit wachen Augen und Lachfältchen – wird beim Packen seines Koffers beobachtet, er freut sich offenkundig auf den Trip. „Wir haben Robin Hood gespielt und Pilze gesammelt“, erzählt er von seiner Zeit im Wald und setzt hinzu: „Ich hatte viel Spaß während der Shoah!“ Tamar Tal Anati (geb. 1980) ist die Schwiegertochter von Bubi. Mit behutsamem, liebevollem, familiärem Blick filmt sie die drei ungleichen Brüder. Wenn Bubi in seinem Fiat Panda fährt, zieht manchmal draußen vor dem Fenster nicht die Landschaft vorbei, sondern Erinnerungen, schwarz-weißes Archivmaterial. Die Regisseurin spiegelt das aufgewühlte sich Erinnern der Brüder im weichen Licht, den Hügeln, den lichten und doch so undurchdringlichen Wäldern; ähnlich illustrativ, aber sehr dezent, setzt sie Musik ein. Mit viel (sarkastischem) Humor und Respekt nähern sich die drei einander an: beim Essen, beim Einkaufen, beim gemeinsamen Kochen – und vor allem auf der Suche nach der Höhle. Andrea ist überzeugt, dass sie den Ort finden werden – Emmanuele natürlich nicht. „Die verschwundene Höhle“ nennt er sie. Verschwunden wie all die Menschen, die Onkel, Cousinen, die er kannte, die deportiert wurden. Er war damals 13. „Shalom Italia“ erzählt mit viel Suspense die Suche von drei ungleichen Brüdern nach den Resten dieser selbstgebauten Höhle – Mauern aus geschichteten Steinen und Erde, eine Plane als Dach. Bei der Suche erwachen Erinnerungen – zum Teil höchst unterschiedlicher Art und gelegentlich sehr widersprüchlich. Was ist Wahrheit? Was ist Geschichte, wie wird sie geschrieben? Tamar Tal Anati macht in ihrem Film, vollkommen unangestrengt und ohne jeden oberlehrerhaften Impuls, „Oral History“ fühlbar, Erinnerungskultur allgemein, aber speziell die israelische. Diese war für die Generationen, die während und nach der Shoah nach Israel gekommen waren, von Vergessen und Verdrängen geprägt: ein Neuaufbruch, der den Schmerz zurücklassen wollte. Bubi, der so jung war damals in der Höhle, gerade mal fünf Jahre alt, berichtet von seiner Erinnerung: Egal was passiert, „man durfte nicht weinen und nicht schreien.“ Ein wunderschöner, wichtiger, anrührender Film.
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