Drama | Kanada/Großbritannien/USA 2016 | 94 Minuten

Regie: Benedict Andrews

Nach vielen Jahren entdeckt eine junge Frau ihren früheren Nachbarn wieder, den sie als 13-Jährige anhimmelte und dem sie sich sexuell hingab. Sie konfrontiert ihn an seinem Arbeitsplatz mit ihren offenen Fragen, die der Angegriffene mit überraschenden Antworten kontert, wodurch sich die Fronten in dem Disput allmählich verschieben. Herausforderndes Psychodrama mit grandiosen Darstellern, das dem Zuschauer konsequent moralische Gewissheiten verweigert. Die theatralische Grundsituation wird durch kluge Verlagerungen des Geschehens und Rückblenden stimmig aufgebrochen. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
UNA
Produktionsland
Kanada/Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Bron Creative/Jean Doumanian Prod./WestEnd Films/Film4
Regie
Benedict Andrews
Buch
David Harrower
Kamera
Thimios Bakatakis
Musik
Jed Kurzel
Schnitt
Nick Fenton
Darsteller
Rooney Mara (Una) · Ben Mendelsohn (Ray) · Ruby Stokes (junge Una) · Riz Ahmed (Scott) · Tara Fitzgerald (Andrea)
Länge
94 Minuten
Kinostart
30.03.2017
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Weltkino/Universum (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Weltkino/Universum (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Beziehungsdrama mit Rooney Mara und Ben Mendelsohn. Regie: Benedict Andrews

Diskussion
Dreimal blickt man am Anfang in Augenpaare, die ausdrücken, was noch nicht ausgesprochen wird. Zuerst ist da die 13-jährige Una, die sich in einem ruhigen Vorstadtviertel auf verbotene Pfade begibt. Als sie die Tür zum Garten des Nachbarhauses öffnet, versichert sie sich, unbeobachtet zu sein; ihre Augen glänzen etwas unsicher, aber erwartungsvoll. Davon ist in der nächsten Szene, 15 Jahre später, bei der erwachsenen Una nichts mehr zu sehen. Gleichgültig gegenüber der Musik verbringt sie einen Discoabend, hat anonymen Sex auf der Toilette und schleicht sich erst im Morgengrauen nach Hause. Noch immer lebt sie im selben Haus wie als Kind, ihrer Mutter begegnet sie liebevoll, aber distanziert; doch ihr matter, verhuschter Blick verrät, dass der jungen Frau in ihrem Leben Schlimmes widerfahren ist. Und dann ist da als drittes der Schock in den Augen des etwa 50-jährigen Vorarbeiters, als Una auf einmal bei ihm in der Fabrik auftaucht. Vor seinen Kollegen, die ihn unter dem Namen Pete kennen, hat er sich zwar noch im Griff, doch die unerwartete Begegnung setzt erkennbar verdrängte Gefühle in ihm frei. Der australische Theaterregisseur Benedict Andrews etabliert in seinem Kinodebüt „Una und Ray“ von Beginn an eine Atmosphäre der Anspannung. Diese löst sich das erste Mal ein wenig, als die beiden Hauptfiguren im Pausenraum der Fabrik ihren Disput eröffnen. Rasch herrscht Gewissheit über die unleugbaren Fakten in ihrer Beziehung: 15 Jahre zuvor war der Mann, der eigentlich Ray heißt, Unas Nachbar und der beste Freund ihres Vaters. Das Mädchen fühlte sich zu dem freundlichen Mann hingezogen, erste verstohlene Treffen fanden statt. Schließlich gab es sich ihm sexuell hin, gefangen in der jugendlichen Illusion, dass sie ein romantisches Leben zu zweit führen könnten. Stattdessen folgten die Entdeckung, Rays Verurteilung und später ein Leben unter neuer Identität, bis Una ihn durch Zufall wieder entdeckte. Viel mehr ist in dieser filmischen Adaption des 2005 uraufgeführten Theaterstücks „Blackbird“ des Schotten David Harrower allerdings nicht eindeutig. Una ist nicht auf Rache aus, obwohl sie Ray uneingeschränkt für ihr verpfuschtes Leben verantwortlich macht. Ihr geht es um Fragen, die sie schon damals quälten und die sie Ray nun endlich ins Gesicht schleudern kann: Ob es ihm wirklich nur darum gegangen sei, ein unwissendes, verknalltes Mädchen auszunützen? Und ob er auch andere Affären mit Minderjährigen hatte, ob sie nur eine von vielen war? Was Ray von sich weist. Weder vor noch nach Una habe er pädophile Begierden empfunden, „ich war nie einer von denen“. Die Zuneigung zu ihr sei moralisch falsch, aber aufrichtig gewesen, und für sein Vergehen habe er reichlich gebüßt. Eine hohe Qualität der literarischen Vorlage liegt in der Art, wie sie einem im Verlauf des verbalen Schlagabtauschs den scheinbar sicheren Boden moralischer Gewissheiten unter den Füßen wegzieht. Einfache Antworten und eindeutige Sympathieverteilung gibt es hier nicht, was den Stoff durchaus zur Herausforderung macht. Benedict Andrews verstärkt dies noch, indem er seine beiden grandiosen Hauptdarsteller die Ambiguität ihrer Figuren schonungslos ausspielen lässt: Rooney Maras zerbrechlich wirkende Una erweist sich immer mehr als instabiler Charakter, ihre Beharrlichkeit hat selbstquälerische Anstriche, und sie setzt die erlittenen Schmerzen durchaus manipulativ ein. Ben Mendelsohn verleiht Ray dagegen eine grundsolide sympathische Ausstrahlung, die seine Reue-Erklärungen glaubhaft macht, ohne dass sein Verhalten dadurch entschuldbar würde. Die Inszenierung verlässt sich allerdings nicht nur auf die schauspielerische Tour de Force, sondern bereitet den Stoff einfallsreich für das Medium Kino auf. Für die Adaption hat Harrower den engen Rahmen des Stückes – ein Raum, zwei Figuren – sinnvoll erweitert. Eine Reihe von Nebencharakteren ist hinzugekommen, aus denen vor allem ein junger Mitarbeiter hervorsticht, der ungewollt zur Mittlerfigur zwischen Ray und Una wird. Andrews fügt immer wieder kleine Rückblenden ein, die das Gesagte stimmig ergänzen, und nutzt auch das Ambiente famos: Durch die Präsenz von Rays Kollegen muss die zentrale Auseinandersetzung mehrfach in einen anderen Abschnitt der Fabrik verlagert werden, die aus riesigen Lagerhallen, labyrinthischen, grellweißen Gängen und klaustrophobischen Räumen besteht. Man begreift so, welcher Belastung Una und Ray ausgesetzt sind: Was sie auch tun, ihr ewiges Versteckspiel hört niemals auf.
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