Er ist auf den Hund gekommen. Er kann nichts dafür: Der Hund stand einfach da und hat ihn angeschaut, erst auf dem Feld und dann durch die Terrassentür. Zuvor hat Hans Waldmann seinen langjährigen Job in der Verwaltung einer Papierfabrik verloren. Kommt also vielleicht doch nicht von ungefähr, der Hund. In Sebastian Sterns Film kommt sowieso nichts von ungefähr. Ist alles hausgemacht.
Zum Beispiel, dass Yvonne, die Frau von Hans, den Hund so toll findet. Deutlich toller als ihren Mann, von dem sie noch nicht einmal weiß, dass er seinen Job verloren hat. Dieser versucht zwar, Tochter und Frau im möglichst würdevollen Rahmen ins Bild zu setzen, beim gemeinsamen Abendessen etwa. Aber immer ist anderes wichtiger. Der neue Freund der Tochter beispielsweise. Bald schläft der Hund, der auf den Namen Kurt getauft wird, Kurt wie Kurt Cobain, im Ehebett. Zwischen den Partnern, versteht sich.
Der Regisseur und Drehbuchautor Sebastian Stern (Jahrgang 1979) mag Tiere und menschliche Analogien. Oder umgekehrt. Sein Abschlussfilm an der Münchner Filmhochschule HFF hieß „Die Hummel“
(fd 40 013) und drehte sich um einen in der niederbayerischen Heimat hängen gebliebenen Handelsvertreter, großartig gespielt von Jürgen Tonkel. „Der Hund begraben“ ist Sterns zweiter Langfilm. Hier zeigt er erneut, dass er die Kunst der richtigen Besetzung beherrscht: In den Hauptrollen spielen Justus von Dohnányi als Hans, Juliane Köhler als Yvonne und der österreichische Schauspieler Georg Friedrich als invasiver Fremder und Hundeersatz Mike.
Dohnányi ist fast schon ein Garant für schwarzen Humor. Gerade weil er als Hans familiär oft abgewürgt, unterbrochen, übersehen wird, muss er neben einem sparsam eingesetzten, retrospektiven Off-Kommentar aus Ich-Perspektive vieles mit Blicken ausdrücken: die stille Wut auf Hund, Frau, Freund, Tochter, Mike und sich selbst, den leisen Balanceakt zwischen Komödie und Tragödie, eine Fallhöhe ohne Absturz. Juliane Köhler, sonst eher auf das dramatische Fach abonniert, gibt eine überdrehte Ehefrau, ohne zu übersteuern. Ihr Unglück, die latente Unzufriedenheit bleiben immer spürbar.
Dann ist der Hund plötzlich weg, und Hans ist daran nicht unschuldig. Hans und sein neuer Freund Mike, der ihm auf ganz ähnliche Weise „zugelaufen“ ist wie Kurt, bei einem merkwürdigen Wünsch-dir-was-vom-Universum-Event. Gemeinsam schmieden sie einen bizarren Plan, um Yvonnes Verzweiflung über den Verlust des Hundes zu lindern. Mike wird zum Teil der Familie; in einer surrealen Szene raucht er gemeinsam mit Mutter und Tochter Wasserpfeife; Hans schaut nur kurz in das mit Schwaden verschleierte Zimmer, in die lachende Harmonie, um die Tür ganz schnell wieder zu schließen. Doch Mike wünscht sich vom Universum eine Frau. Könnte das Yvonne sein?
Schwarzer Humor ist selten im deutschen Film. Wenn es einmal der Fall ist, dann trifft er oft nicht ins Schwarze. In österreichischen Filmen dagegen ist der schwarze Humor, seine Bissigkeit und die Nähe von Komik und Tragik, gepaart mit Ironie, Sarkasmus und vielen Geschmacklosigkeiten weit eher zu Hause. Georg Friedrich ist hier vielleicht eine Referenz an jene österreichische Note, mit der Stern in deutsche Befindlichkeiten eintaucht.
Einmal steht Yvonne auf dem Feld, hinter ihr drängen sich die Bungalows der bayerischen Vorstadt an der Grenze zum Land. Sie wirft Stöckchen für Kurt, was die Inszenierung mit Zeitlupe und einer exzentrischen Musikbegleitung umsetzt: Juliane ist glücklich im Kreise Gleichgesinnter, Nachbarn, die sie vorher nicht kannte und vielleicht auch gar nicht kennen wollte. Es sind die genauen, wahrhaftigen, satirisch ausgeleuchteten Beobachtungen, die in der Summe „Den Hund begraben“ zu einem kleinen, besonderen Stück Kino machen: eine John Updike’sche Unerbittlichkeit des Blicks, der es gleichzeitig nie an Menschlichkeit, an Empathie mangelt.