Die vier Frauen sind nicht glücklich. Sie können gar nicht glücklich sein. Denn sie leben in einer patriarchalen, repressiven Gesellschaft, in der sie Objekte sind, ausgebeutet von Männern. Sie erdulden das, tragen das mit und werden so zu Stützen des Systems – indem sie zum Beispiel ihre Söhne und Töchter entsprechend erziehen. Auf diese Grundthese, diese Tatsache, diese Beobachtung baut die indische Autorin und Regisseurin Leena Yadav ihren Film „Die Zeit der Frauen“.
Die 32-jährige Rani ist stets schwarz gekleidet in scharfem Kontrast zu den anderen Frauen in dem abgelegenen Dorf im ländlichen Nordwesten Indiens. Sie ist verwitwet, seit sie 16 ist und hat einen 17-jährigen Sohn. Den möchte sie verheiraten. Für die arrangierte Ehe mit der 15-jährigen Braut musste Rani sich hoch verschulden, eine Hypothek auf ihr Haus aufnehmen. Und dann bekommt sie mit, wie sich ihr eigener Sohn hinter einer dünnen Trennwand aus Lehm an seiner Braut vergreift, genauso wie es Rani seinerzeit durch ihren betrunkenen Ehemann erlebt hat. Zunächst schweigt Rani, wie – so darf man annehmen – wohl damals auch ihre Schwiegermutter den Mund gehalten hat.
Rani ist die zentrale Figur, alle übrigen Figuren sind zu ihr ins Verhältnis gesetzt. Praktisch jede von ihnen verkörpert dabei eine These, ein Fallbeispiel. Ranis beste Freundinnen sind die erotische Tänzerin und Gelegenheitsprostituierte Bijli und die lebenslustige Lajjo, die von ihrem alkoholabhängigen Mann brutal misshandelt, vergewaltigt und gedemütigt wird – auch wegen ihrer vermeintlichen Unfruchtbarkeit. Wenn Lajjo geschlagen wird, flüchtet sie zu Rani. Wenn Rani nicht weiter weiß, läuft sie zu Bijli, in deren Zelt mit den blinkenden Lämpchen. Da die Tänzerin Bijli außerhalb der Gesellschaft steht, ist sie die freieste von den dreien – oder vieren, zählt man die junge Braut dazu. Sie ist zwar abhängig von ihren Zuhältern, kann sich aber durch ihren Status einer ohnehin Geächteten mehr erlauben. Sie stiftet die anderen zu zivilem Ungehorsam an, nimmt sie auf Fahrten in ihrem geflügelten Motorradgefährt mit – ein glitzernder, leuchtender Streitwagen.
Es sind Bilder von mythischer Kraft, wenn die vier Frauen, kämpferisch und entfesselt, zusammen ausfahren. Sie führen „Frauengespräche“, reden viel über Sex, es geht um weibliche, selbstbestimmte Lust. Im Zuge dieser Unterhaltungen erfährt Lajjo, dass auch Männer unfruchtbar sein können – und sie vielleicht doch ein Kind bekommen kann. Die Frauen schmieden einen Plan.
Als Inspiration für ihre Figuren dienten der Regisseurin Gespräche mit Frauen in der Region, die sie auf ihren Recherchereisen führte. Das Dorf hat deshalb in seiner Erstarrtheit etwas Exemplarisches: Noch gibt es etwa auch kein Fernsehen. Die Frauen wünschen sich das, doch der Dorfrat, der sich aus den dorfältesten Männern zusammensetzt, fürchtet einen schädlichen, westlichen Einfluss. Abschreckendes Beispiel ist der Nachbarort: Offenes Haar und unziemliches Verhalten hätten seitdem dort Einzug gehalten.
Bei all dem „Die Zeit der Frauen“ ist kein typischer Arthousefilm. Seine Erzählmuster und die Mittel künden – ähnlich wie zuletzt Pan Nalins „7 Göttinnen“
(fd 43 962) – von Bollywood. Es gibt bunte, glitzernde Tanzszenen und bunte Kleider. So ist der Film zwar ein Drama, aber ein sehr vergnügtes Drama. Die Darstellerinnen sind ungeheuer präsent und spielen ihre Figuren mit mitreißender Energie. Dies verhindert auch, dass die Thesenhaftigkeit zu übermächtig wird und der Film zum reinen feministischen Lehrstück. Auch das wäre absolut legitim – nur eben nicht so unterhaltsam.