Robert Mazur ist ein Undercover-Agent. Im Jahr 1986 will er den mexikanischen Kartellen, die den Süden der USA mit Drogen überschwemmen, das Handwerk legen. Doch mit Verhaftungen auf den unteren Ebenen des Geschäfts, das zeigt der kurze Prolog auf einer Bowling-Bahn, lässt sich nicht viel ausrichten; man muss an die Bosse heran, allen voran an Pablo Escobar. Mazur schlägt seiner Vorgesetzten deshalb vor, den Spuren des Geldes zu folgen. Er nimmt die Identität eines smarten Geschäftsmannes an, nennt sich fortan Bob Musella und trifft sich, vermittelt von seinem impulsiven Kollegen Emir Abreu, mit Kontaktmännern, um seine Dienste als Geldwäscher anzubieten. Bei dieser Aktion sind ihm zwei eigentlich respektable Angestellte einer Bank in Panama behilflich, die die vollen Geldkoffer gerne in Empfang nehmen. Langsam arbeitet sich Musella die Befehlskette hoch und erringt das Vertrauen seiner „Geschäftspartner“.
Doch seine Anständigkeit wird ihm fast zum Verhängnis: In einer Striptease-Bar weist er die Avancen einer Prostituierten zurück und schützt eine Geliebte vor (in Wahrheit ist Mazur glücklich verheiratet und will seine Frau nicht betrügen), anstatt das Spiel der Gangster mitzuspielen. Das FBI muss ihm mit der neuen Kollegin Kathy Ertz deshalb rasch eine „Verlobte“ an die Seite stellen. Gemeinsam gewinnt das Paar die Freundschaft von Escobars rechter Hand Roberto Alcaino und dessen schöner Frau. Musella befindet sich plötzlich im inneren Kreis des Drogenkartells. Doch der kleinste Fehler kann tödlich sein.
Eine wahre Geschichte: Robert Mazur gibt es wirklich, auf ihn gehen zahlreiche Verhaftungen von Drogenbossen zurück. Auf seinem Buch beruht auch dieser Film. Die Authentizität der Ereignisse, ihr bekannter Ausgang, ändert allerdings nichts an der manchmal unerträglichen Spannung. „The Infiltrator“ ist intelligentes, aufregendes und packendes Thriller-Kino, weil man stets um die Hauptfiguren und ihre körperliche Unversehrtheit fürchtet. Dabei macht Regisseur Brad Furman etwas sehr Ungewöhnliches. Bis auf wenige Szenen sieht man hier kaum Gewalt. Trotzdem ist sich der Zuschauer immer der Gefahr bewusst, in der Mazur schwebt, und man fragt sich unwillkürlich, wie Mazur selbst diese Spannung ausgehalten hat. Einmal beschreibt ein Bodyguard, was mit Mazur und seiner Familie geschehen wird, wenn die Wahrheit ans Licht kommt, und diese wenigen Sätze sind in ihrer Drastik grausamer, als es Bilder je verdeutlichen könnten.
Geschieht tatsächlich einmal ein Mord, etwa bei einer absurden Prüfung der Vertrauenswürdigkeit durch einen Voodoo-Priester, haftet ihm etwas Bizarres, Irrationales an. Ein Shoot-out zwischen Polizei und Drogenschmugglern am Hafen wird nur kurz angedeutet, die Inszenierung spielt die Action nicht aus. Es geht ihr vielmehr um etwas anderes, um die Themen, die dem Film zugrunde liegen: Freundschaft, Treue und Vertrauen. Mazur ist ein unglamouröser Familienvater, der seine Frau über alles liebt und trotzdem für seinen Beruf, als einer anderen Art von Droge, alles zu tun bereit ist. Bryan Cranston, der nach „Breaking Bad“ endlich eine Kinorolle bekommt, die ihm und seinem Können gerecht wird, spielt ihn bewundernswert bravourös als netten, fürsorglichen Kerl, der sich mit Nadelstreifenanzug und smarter Attitüde in einen „White Collar“-Gangster verwandelt und wie selbstverständlich mit den brutalsten Drogenbossen verhandelt. Mazur ist ein „Schauspieler“, der perfekt in seiner Rolle aufgehen muss, wenn die Charade nicht auffliegen soll. Die Freundschaft zu Alcaino wird Mazur irgendwann hintergehen müssen, sowie Johnny Depp die Freundschaft zu Al Pacino in „Donnie Brasco“
(fd 32 508) betrogen hat. In „The Infiltrator“ geht es auch darum, was dieses Vortäuschen von emotionaler Nähe mit einem Undercover-Agenten macht, auch in seinem Privatleben. Das weiß auch Kathy Ertz, die von Diane Kruger ebenso sinnlich wie tough dargestellt wird. In einer der stärksten Szenen sucht sie Mazurs Frau auf und versichert ihr seine eheliche Treue.
Am Schluss, bei der fingierten Hochzeit zwischen Musella und seiner vermeintlichen Verlobten, bittet der Priester den Bräutigam, sich umzudrehen und die Hochzeitgesellschaft anzuschauen. Ein Drogenboss sitzt da neben dem anderen und blickt freundlich lächelnd zurück – Musella/Mazur hat sie alle an einem Ort versammelt. Ein Husarenstück, das ihn trotz seiner Unscheinbarkeit als Kinohelden par excellence ausweist!