Im Dunkeln kommt die Angst. Für kindliche Gemüter ist die Nacht von Gespenstern bevölkert, von furchterregenden Wesen, die im Keller, im Schrank oder unterm Bett hausen. Erwachsene wissen es besser, aber restlos abschütteln lässt sich das Grauen vor der Dunkelheit nicht. Horrorfilme wie „Lights Out“ schlagen aus unseren Urängsten Kapital. Wir spielen mit. Vielleicht liegt darin eine Art Sehnsucht nach der Kindheit –nach dem Thrill der alten Spukgeschichten. In seinem Spielfilmdebüt malträtiert der talentierte David F. Sandberg die Zuschauer mit einem Schattenwesen, das nur bei ausgeknipstem Licht in Erscheinung tritt. Das durch einen simplen Stopptrick visualisierte Paradoxon etablierte der schwedische Filmemacher zunächst in seinem zweieinhalbminütigen Kurzfilm „Lights Out“ (2013): Eine Frau wird von einem Monster heimgesucht, das bei Licht unsichtbar, aber eigentlich immer da ist. Die effizient furchterregende Miniatur erzielt im Internet Klickrekorde, weshalb Horrorproduzent James Wan den Amateurfilmer Sandberg für eine Langversion des Stoffes engagierte. Der Gimmick der Ur-Version, das mehrfache An- und Ausschalten der Beleuchtung, bei dem das Ungeheuer nach und nach Konturen gewinnt und seine Position verändert, konstituiert jetzt einen 81 Minuten langen Film. Formal ist diese Mixtur aus Geisterfilm und Slasher-Movie so sicher inszeniert, dass der Spannungsbogen hält. Allerdings ist Kunst, das Publikum binnen 150 Youtube-Sekunden das Fürchten zu lehren, sicherlich die größere Herausforderung gegenüber einem aus gängigen Genremustern gestricktem Horrorfilm.
Das (im Dunkeln) omnipotente Monster taucht wie der „Halloween“-Killer Michael Myers zyklisch auf. Man kann ihm, sogar mit dem Licht einer Taschenlampe, Verbrennungen zufügen wie weiland Graf Dracula. Auch filmischer Ebene wartet nichts grundlegend Neues. Atonale Musik schürt Spannung, Überrumpelungseffekte werden durch perkussive Schocks auf der Tonspur verstärkt. Die Beleuchtung ist spärlich. Von der mit Bewegungsmeldern gesteuerten Nachtbeleuchtung einer Textilfirma über die blinkende Neonschrift eines Tattoo-Studios bis zu Taschenlampen, Kerzen und einer UV-Leuchte wird für den gruseligen Flacker-Effekt eine ganze Armada an Lichtquellen eingesetzt.
Und die Opfer der Schreckensgestalt? Aus der paranoiden Kurzfilmfigur wird in Eric Heisserers holprigem Drehbuch eine dysfunktionale Familie. Der Vater wird bereits eingangs von der monströsen Schattengestalt ermordet, die Mutter Sophie und ihr heranwachsender Sohn Martin leben in einem düsteren Haus im neogotischen Stil, das entfernt an Norman Bates’ Heimstatt aus „Psycho“ (fd 9570) erinnert. Tochter Rebecca hat dieses Haus bereits verlassen, sieht sich trotz ihrer Abnabelung aber bald zur Rückkehr gezwungen; offenbar muss der Bruder Martin vor seiner Mutter geschützt werden, die mit schweren Depressionen kämpft. Bald wird klar, dass Sophies vermeintliche Selbstgespräche in Wahrheit Unterhaltungen mit einem Gespenst sind. „Geister gibt es wirklich“, warnt Sophie, und sie hat recht: Das Monster mit der mageren Silhouette, den wirren langen Haaren und den Krallenfingern lauert bald auch den Kindern auf.
Unnötigerweise meint das Skript der ominösen Gestalt ein klares Rollenprofil geben zu müssen, und so findet Rebecca heraus, dass sie eine Mitpatientin ihrer Mutter in einer psychiatrischen Klinik war. Sie starb bei einer medizinischen Intervention, doch dank des labilen Geisteszustands von Sophie kann sie anscheinend als eine Art Zwischenwesen weiterexistieren.
Während sich die Handlung auf einen finalen Kampf mit dem Gespenst zuspitzt, bringt Rebecca immer mehr Licht ins Dunkel des Falls. An die Kellerwände hat das Monster Sätze geschmiert, die die couragierte Tochter mit Hilfe einer Schwarzlichtlampe entziffern kann. Doch jeder Versuch, die Bosheit zu erklären, läuft ins Leere. Psychologie ist auch nur ein Erzähltrick, eine Falltür ins Sinn- und Bodenlose.
„Lights Out“ reiht sich damit in die fragwürdige, anti-aufklärerische Tradition ein, Krankheiten in Teufelszeug umzudeuten. In Satansfilmen wie „Der Exorzist“
(fd 18 987) wird Epilepsie zur dämonischen Besessenheit. Hier dient die Depression der Mutter als Einfallstor des Bösen. Die psychische Erkrankung wird als Fluch stigmatisiert, was angesichts realer Schicksale nicht nur ärgerlich, sondern für die Story auch vollkommen unwichtig ist. Darüber hinaus hält sich das Drehbuch viel zu sehr mit privater Vergangenheitsbewältigung, Zeichendeuterei und den Motivationen eines Gespenstes auf, statt die lebenden Charaktere und ihre Konflikte zu schärfen.