Thomas ist großzügig. Mehr als das. Er kann niemandem widersprechen, Grenzen setzen oder gar auf Konfrontation gehen. Stattdessen fühlt er mit, zeigt Verständnis und gibt gerne nach. Der Wunsch nach Harmonie ist sein ständiger Begleiter. Dabei kennt auch er, bei aller Kunst des positiven Denkens, Zweifel und Aggressionen, wenn die Welt nicht so will, wie es seine Idealvorstellung erlaubt. Es bedarf zwar schon einer Menge Alkohol, damit seine wahre Natur ans Licht kommt. Aber auch dann dient jeder Wutausbruch nur der Bezwingung der anderen, damit auch sie endlich wieder so liebenswürdig werden wie er es doch ständig zu sein bemüht ist. Er sei „ein ganz normaler, netter Mann“, bescheinigt er sich selbst gegenüber der Psychotherapeutin, die zum Kern seiner latenten Entgleisungsbereitschaft vordringen möchte. Die Therapie habe doch längst angeschlagen, meint er, während sein Gegenüber resigniert aufgibt. Der Vorfall, bei dem er einen Kontrahenten im Vollrausch mit dem Auto bedrängte, sei ein einmaliger Ausrutscher gewesen.
Seine Frau, die ihm gerne vorwirft, dass er nicht zuhören könne und unangenehmen Problemen aus dem Weg gehe, soll trotzdem nichts von der professionellen Hilfe wissen. Damit die kriselnde Schriftstellerin, die für den Nachwuchs ihre Karriere auf dem Abstellgleis geparkt hat, an ihrem zweiten Roman weiterschreiben kann, fährt das Paar mit der 15-jährigen Tochter zum Skiurlaub in die Schweiz. Um sich bei seinem Chef einzuschmeicheln, nimmt der freiberufliche Literaturkritiker gegen den Willen der Restfamilie dessen Tochter mit. Jeden Einwand wischt er mit einer sanftäugigen Optimismusbekundung weg. Tatsächlich scheint seine gute Laune die anderen anzustecken, vor allem, als er den Teenagern erlaubt, eine Party im Dorf zu besuchen. Als er die Mädchen gegen Mitternacht aber abholen will, hat sich alles radikal verändert. Die wegen der Scheidung ihrer Eltern ohnehin verstörte Tochter seines Chefs ist vergewaltigt worden, und Thomas muss zur Hochform auflaufen, um die Lawine an ungünstigen Verwicklungen abzuwehren. Mit Lügen und Verharmlosungen. Zur Not auch durch den Einsatz von Gewalt. Die selbst verordnete Idylle muss schließlich bewahrt werden.
Das von dem Schweizer Micha Lewinsky glänzend geschriebene Drehbuch funktioniert wie ein gut geöltes Uhrwerk, in dem alle Teile ineinandergreifen, ohne dass die Mechanik allzu mechanisch daherkommt. Lewinskys schwarzhumorige Inszenierung lässt ebenfalls nichts zu wünschen übrig. Das Psychogramm eines vermeintlichen „Softies“ hypnotisiert von der ersten Minute an und ist mit Devid Striesow ideal besetzt. Das emotionale Spießrutenlaufen von reumütiger Panikattacke bis zum Amoklauf beherrscht er perfekt, angereichert mit feinsten Abstufungen, von denen man nicht genug bekommt. Maren Eggert sorgt mit ihrer hellsichtigen Rationalität für den nötigen Kontrapunkt, und auch die zwei Jungschauspielerinnen Annina Walt und Lotte Becker verschmelzen beängstigend lebensnah mit ihren Figuren. Eine unmoralische Tragikomödie aus einem Guss, zart austariert in ihrer Ambivalenz, dessen trauriger Held davonkommt und sich fortan an seiner Schuld kreativ abarbeiten wird. Mit Therapeutin oder ohne.