Eine junge Slowakin sucht nach ihrem Schulabschluss Arbeit in Tschechien, doch der Job in einer Nähfabrik bietet keine Perspektive. Sie verliert ihre Stelle und lässt sich von einer Freundin an einen älteren Deutschen verkuppeln. Der halbdokumentarische Debütfilm blickt unvoreingenommen auf eine europäische Migrationsgeschichte, umschifft die dramaturgischen Fallen einer Elendserzählung und entwickelt sich facettenreich zu einem heterogenen, aber erfrischend unprätentiösen Drama. (O.m.d.U.)
- Ab 14.
Made in Ash
Drama | Slowakei/Tschechien 2012 | 84 Minuten
Regie: Iveta Grófová
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Filmdaten
- Originaltitel
- AZ DO MESTA AS
- Produktionsland
- Slowakei/Tschechien
- Produktionsjahr
- 2012
- Produktionsfirma
- Protos Prod.
- Regie
- Iveta Grófová
- Buch
- Iveta Grófová · Marek Lescák
- Kamera
- Viera Bacikova
- Musik
- Matej Hlavác
- Schnitt
- Maros Slapeta · Anton Fabian · Peter Morávek · Marek Královský
- Darsteller
- Dorotka Billá (Dorotka) · Maria Billá (Dorotkas Mutter) · Jarka Bucincova (Jarka) · Silvia Halusicová (Silvia) · Robin Horký (Johann)
- Länge
- 84 Minuten
- Kinostart
- 11.06.2015
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Junge Slowakin ringt um Zukunftsperspektive
Diskussion
Das Lied vom Anfang wirkt schon bald wie ein bitterböser Witz. „Lasst uns fröhlich sein, so lange wir jung sind. Auf die Jugend voller Freude folgt das Alter voller Kummer, bevor wir der Erde gehören“, heißt es darin. Gesungen wird es von der jungen Romni Dorotka und den anderen Schulabgängerinnen bei der Abiturfeier. Kurz darauf wirft sie die Mutter aus dem Haus; sie soll die Familie nicht mehr länger belasten, sondern eigenes Geld verdienen.
Von einer Jugend voller Freude erzählt Iveta Grófová in ihrem semi-dokumentarischen Debütfilm „Made in Ash“ wahrlich nicht. Eher von einer Jugend im Angesicht der gesellschaftlichen Realität. Und die ist vor allem schroff. Zu Hause in der Slowakei gibt es keine Arbeit, nicht für Dorotka und auch nicht für ihren Freund, der von der Stütze lebt. Also zieht das Mädchen in die öde tschechische Kleinstadt Aš, nahe der deutschen Grenze. Eine wirkliche Zukunftsperspektive aber zeichnet sich auch dort nicht ab. Der Job in der Nähfabrik ist hart und schlecht bezahlt, das Wohnheim marode. Dorotka befreundet sich mit der lebenserfahreneren Silvia und gerät in Kontakt mit Mädchen, die in „Clubs“ arbeiten. Aš scheint überhaupt dem „thailändischen Modell“ nachzueifern. Vor allem aus Deutschland kommen ältere, schon ziemlich abgewirtschaftete Männer auf der Suche nach Sex und netter Gesellschaft. Als Dorotka ihre Arbeit in der Fabrik verliert, verkuppelt Silvia sie mit Johann, der sie „drübernehmen“ will. Denn in Deutschland „ist schöneres Geld als hier“.
Auch wenn zunächst alles darauf hindeutet: An der Syntax einer typischen Elendsbeschreibung, wie sie das sozialrealistische Kino so gerne bemüht, zielt „Made in Ash“ ganz bewusst vorbei. Der Film verzichtet auf dramatische Zuspitzungen, die Erzählung bleibt offen, und ihr „Plätschern“ entspricht ganz der Richtungslosigkeit der Hauptfigur. Auch passen die allesamt von Laiendarstellerinnen gespielten Frauenfiguren nicht in die gängigen Opferschemata, selbst wenn ihr Handlungsspielraum kaum eingeschränkter sein könnte. In die Tränen mischt sich ein Lachen, in die existenzielle Verzweiflung Pragmatismus. Und in die unerbittliche Realität einer Tauschökonomie sickern Stimmungen und Töne, die den eher schwer zu klassifizierenden Zwischenschichten von Ausbeutungsverhältnissen entspringen – ohne dass der Film dabei Ambivalenz zum Programm erheben würde. Grófová blickt mit einer erstaunlich unforcierten Beiläufigkeit und Unvoreingenommenheit auf das Geschehen, sie liefert nicht auch gleich noch Anklageschrift und Thesenpapier mit.
Auch stilistisch verlässt sich der Film nicht auf ausgetretene Pfade, woran das geringe Budget nicht unbeteiligt gewesen ist. Verschiedene Bildästhetiken wechseln sich ab: Mal gibt es unbewegte Totalen, mal steht das Gesicht in Großaufnahme im Mittelpunkt, mal gibt es Bilder von einer Webcam, dann wieder das energetische Gewackel einer Handykamera, mal Unschärfen, mal Überdeutlichkeit in gnadenloser Neonbeleuchtung. Und auch der Authentizismus des Films bewegt sich szenenweise ins klassisch Dokumentarische – etwa in den Fabrikszenen –, um sich danach eher grotesken Realismen anzunähern, die momenthaft an Ulrich Seidls Außenseiter-Erzählungen erinnern. Diese heterogene Mischung gibt dem Film eine etwas unklare Kontur. Die aber ist gleichzeitig auch seine Qualität. Am Ende leuchtet das Neonschild des „Happy End Night Clubs“.
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