Das großstädtische Hedonisten-Quartett sieht beim Einkaufen in dem brandenburgischen Dorf, das kurz vor dem Abriss wegen Braunkohletagebau steht, reichlich deplatziert aus. Und doch hat der karge Ort bei manch einem von ihnen tiefe Wunden hinterlassen. Am meisten angeschlagen von der Konfrontation mit der Vergangenheit ist die ansonsten lebenslustige Anna. Sie hat es mit ihrem deutlich jüngeren Partner ein letztes Mal hierher verschlagen, um sich von dem Haus ihrer Kindheit zu verabschieden. Vor 25 Jahren brachte sie die Dorfbewohner gegen sich auf. Sie outete einen Klassenkameraden, der sich an ihren damaligen Freund rangemacht hatte. Aus Angst vor Repressionen in der nicht gerade schwulenfreundlichen Arbeiter- und Bauernrepublik stürzte sich dieser in den Tod. Seine Mitschüler zogen weg und nutzten die Chance der Wende für ein selbstbestimmtes Leben. Annas offen schwul lebender Ex-Freund ist es auch, der sie für ein verlängertes Wochenende zur Rückkehr überredet hatte. Er selbst erscheint in Begleitung seines langjährigen Partners. Der Psychoanalytiker wittert sogleich Material für tiefenpsychologische Enthüllungen und stört mit Intrigen das zunächst harmonische Beieinander, das sich allmählich in eine Schlacht der Gefühle, Sex-Obsessionen, Erinnerungen und Lebenskonzepte steigert.
Der Diplomfilm von Florian Gottschick an der HFF Konrad Wolf kommt zunächst im dokumentarischen Gewand eines Schuld-Dramas daher, um unversehens mit den Erzählkonventionen des Mystery-Thrillers zu kokettieren. Hier die ostdeutsche Trümmerkulisse. Dort verlassene Häuser, die in der Dunkelheit mysteriös leuchten. Friedhöfe, deren umgebettete Gräber verfallen. Begräbnisse, die im Streit über die moralischen Verfehlungen unerwünschter Besucher enden. Alle Fährten laufen magisch auf Anna zu. Kein Wunder, dass sie verwirrt durch Nacht und Wälder irrt, unglücklich über die Wortgefechte, die zunehmend verletzender werden. Ohnehin geraten die Paarkonstellationen durcheinander und auch die Realitätsebenen verschieben sich, bis sie schließlich nicht nur Toten, sondern auch ihrer eigenen Doppelgängerin begegnet, die nach einem nicht weiter erklärten Zeitsprung alle bisherigen Situationen vor ihren Augen zum zweiten Mal durchspielt.
Der Einzige, der über das seltsame Parallelgeschehen Bescheid weiß und sich in beiden Welten bewegt, ist der notorisch austeilende Psychoanalytiker. Ein Manipulator mit übernatürlichen Kräften? Oder ist alles doch nur geträumt? Während das enthemmte Drehbuch noch mit einem Mord und Gruppensex zu trumpfen versucht, verliert man allmählich das Interesse an dieser wild zusammen gewürfelten Genre-Mixtur, zumal die freudianischen Abgründe mit überdeutlicher Symbolik in der Erde bohrender Bagger nur als erwartbare Plattitüden ans Tageslicht gelangen. Erhellend ist in „Nachthelle“ leider rein gar nichts. Trotz angestrengtem Gefuchtel mit Plot und Subplot kommt die Handlung schnell an ihre Grenzen und auch die Dialoge drehen sich gerne im Kreis, statt dem Innenleben der Figuren auf die Sprünge zu helfen. Daran können auch Schauspieler nichts ändern, die sich durch die konstruierte Seelen-Tristesse respektabel schlagen. Viel Lärm um nichts mit einem im Hintergrund leise spukenden DDR-Horror, der sich in diesem Sommerschauermärchen mit der Rolle eines stotternden Katalysators begnügen muss.