Das Protokoll der nächtlichen Vorkommnisse enthält nur Nichtigkeiten, trotzdem wird es vor dem morgendlichen Flaggeneid verlesen – eisern klammert man sich in Guantanamo an solche Rituale. Jenseits davon jedoch haben die US-Soldaten in Peter Sattlers »Camp X-Ray« jeglichen Glauben daran eingebüßt, dass das Gefangenenlager den Sieg im »War on Terror« näherbringen könnte. Für die junge Rekrutin Cole ist Guantanamo nur eine Durchlaufstation auf dem Weg zu ruhmträchtigeren Einsatzorten, gleichwohl aber auch eine Bewährungsprobe, um sich als »ganzer Kerl« zu beweisen. Sie imitiert die schroffe Haltung ihrer Kameraden, doch einer der Gefangenen nimmt ihr diese nicht ab: Der eloquente Ali, seit acht Jahren inhaftiert, spricht sie an, wenn sie vor seiner Zelle patrouilliert, stellt ihr persönliche Fragen und durchdringt allmählich ihren Panzer. Peter Sattler konzentriert sich in seinem Regiedebüt auf diese kammerspielartige Annäherung, die zu einer gegenseitigen Anteilnahme zweier offizieller Todfeinde führt. Die Zweifel, ob ein auf Totalisolation ausgerichtetes System jemals eine solche Intimität zulassen könnte, bleiben zwar bis zum Ende. Trotzdem ist Sattler ein packender Film über die Verhältnisse in Guantanamo gelungen, in dem neben Payman Moaadi (»Nader und Simin«) auch Kristen Stewart mit ausdrucksstarkem Spiel überzeugt.