In einer Rede vor CIA-Anwärtern fragt Veteran Evan Lake (Nicolas Cage) die Zuhörer, was sie in die Agency getrieben habe, eine Institution, deren Renommee doch seit Ende des Kalten Kriegs stark gelitten habe. Er selbst gibt als eine Antwort: „Weil ihr noch Werte habt!“ Was nicht zuletzt „Patriotismus“ heißt. Lake scheint sich als Bastion eines amerikanischen Selbstverständnisses zu sehen, das er allenthalben im Schwinden begriffen sieht; selbst seine CIA-Vorgesetzten stecken, wie er es drastisch ausdrückt, „zu tief im Arsch von Präsident Obama, um mehr als dessen Scheiße zu sehen“. Allerdings bröckelt auch Lakes eigene Bastion: Der altgediente Agent leidet an einer „frontotemporalen Demenz“, die jene Hirn-Areale angreift, die für Sozialverhalten und Emotionen zuständig sind. Schon jetzt zeigen sich in seinen unflätig-aggressiven Ausbrüchen und plötzlicher Lethargie Symptome der Krankheit. In den vorzeitigen Ruhestand will er sich deshalb aber noch lange nicht schicken lassen. Auf eigene Faust bricht er zu einer letzten Mission auf, der Jagd auf einen islamistischen Terror-Guru, dem Lake vor Jahren in die Hände fiel und der ihn grausam folterte. Allgemein wird Banir für tot gehalten, doch Lakes junger, ihm treu ergebener Kollege ist auf Indizien gestoßen, nach denen er noch lebt. Der Umstand, dass Banir keine Bedrohung mehr darstellt und seinerseits an einer tödlichen Erkrankung leidet, ist Lake egal. Ihm geht es ums Prinzip: Er will Rache für Banirs Verbrechen.
„Save Paul Schraders Dying of the Light“, hieß eine mittlerweile aus dem Netz genommene Facebook-Seite: Fans war zu Ohren gekommen, dass Regisseur Paul Schrader der finale Schnitt des Films, den er geschrieben und inszeniert hatte, von den Produzenten aus der Hand genommen worden war. Die Branchen-Zeitung „Variety“ bestätigte die Gerüchte nach Stellungnahmen unter anderem auch von Executive Producer Nicolas Winding Refn, der sich auf Schraders Seite stellte. Eine erste Schnittfassung von Cutter Tim Silano (der auch Schraders „The Canyons“ geschnitten hatte) war bei den Produzenten durchgefallen. Als Schrader und Silano die erwünschten Modifizierungen für eine zweite Fassung nur ansatzweise umsetzten, beauftragten sie einen anderen Cutter. Winding Refn, der Schraders Schnittfassung großartig fand, nannte dies eine „Respektlosigkeit“ gegenüber dem Künstler.
Darüber, wie der Film vor diesem Eingriff ausgesehen hat, kann man nur spekulieren. In der jetzigen Form wirkt er tatsächlich etwas unentschlossen in der Balance zwischen hintersinnig-bitterem Psychodrama und konventionellem Agenten-Rache-Thriller. Dennoch vermag „Dying of the Light“ durchaus zu fesseln, schon wegen Nicolas Cages beklemmend guter Performance als Hardliner, hinter dessen Toughness und Entschlossenheit immer öfter pathologische Aggressivität, Angst und Verwirrung aufblitzen.
Was Schrader mit dieser so mitleiderregenden wie abstoßenden Figur über die USA zu erzählen hat, ist alles andere als schmeichelhaft. Hinter der Demenzerkrankung lässt sich unschwer eine metaphorische Diagnose erkennen: Lake, dessen Verhalten immer unberechenbarer wird und der sich in einem „war on terror“ verausgabt, der keinerlei Sinn macht, steht auch für eine „hirnkranke“ politische Mentalität. Am besten kommt das in brillanten Dialogsequenzen zum Tragen, in denen sich Lake entweder in Rage redet oder zunehmend um Worte ringt – bis es ihm in der Konfrontation mit seiner Nemesis komplett die Sprache verschlägt. Der ideologische Clash schrumpft in dieser Szene wie ein Ballon, aus dem man die Luft lässt, zum erbärmlichen Treffen zweier Toter auf Urlaub. Ob das in der „Director’s Cut“-Version noch spitzer und verstörender ausgefallen wäre? Schon diese Fassung hebt „Dying of the Light“ über den Genre-Durchschnitt hinaus.