Ja, man kann mit einem Song ein Leben retten, wenn es nach Regisseur John Carney geht. Wie in „Once“
(fd 38 541) sind auch hier die Lieder vielsagender und wirkmächtiger als die gesprochenen Worte. Allerdings nicht nur, wenn es ums Retten, sondern auch, wenn es ums Kaputtmachen geht. Während die junge Musikerin Gretta einem neuen Song lauscht, den ihr gerade zum Star aufgestiegener Freund Dave geschrieben hat, bricht für sie eine Welt zusammen: Gretta kann heraushören, dass Dave dabei nicht an sie, sondern an eine andere Frau gedacht hat. Kurz darauf steht die Engländerin, die Dave um dessen Karriere willen nach New York begleitet hatte, allein in Big Apple. Was nun? Singen, natürlich! In einem schmuddeligen Club haucht Gretta auf Bitten ihres besten Kumpels ihr Leid in ein nur von einer Gitarre unterstütztes Klagelied über das Stranden in einer fremden Stadt, nachdem eine große Liebe zerbrochen ist. Da geschieht das Wunder: Im Publikum, das eher mit Trinken und Reden als mit der Musik beschäftigt ist, sitzt einer, dem bei Grettas Song die inneren Ohren aufgehen. Musikproduzent Dan ist zwar noch armseliger dran als Gretta, weil er neben Familie und Job dank seiner Sauferei auch noch seine Selbstachtung zu verlieren droht; doch er verfügt zumindest noch über jenen musikalischen Instinkt, der ehedem ein erfolgreiches Indie-Label etablieren half. Im Kopf arrangiert er Grettas Song neu, hört den potenziellen Hit heraus und rückt der jungen Künstlerin nach ihrem Auftritt sogleich auf die Pelle. Bis sie ihm vertraut und sich auf die Produktion eines Albums einlässt, muss er sich mächtig anstrengen, doch dann erwächst aus der Clubbekanntschaft eine professionelle Liaison, die in beiden neue Lebensgeister weckt.
Dass Keira Knightley keine große Sängerin ist und „Maroon 5“-Sänger Adam Levine, der ihren Ex-Freund-Dave spielt, kein Meisterschauspieler, heißt nicht, dass Carney etwas falsch gemacht hätte: Im Rahmen des Films füllen beide ihre Parts bestens aus. Wie schon in „Once“ erweist sich Carney als feinfühliger Regisseur, der die Stärken seiner Darsteller gekonnt aus- und um ihre Schwächen ebenso versiert herumzuspielen weiß. Die von Gregg Alexander und mehreren Co-Autoren für Knightley geschriebenen Songs sind so auf ihre Stimme zugeschneidert, dass sie ihr Volumen nicht überfordern, sondern deren Zartheit zum Programm machen; und Levines Nebenrolle verlangt ihm gar nicht erst ab, Knightley und Mark Ruffalo schauspielerisch das Wasser zu reichen.
Carney holt aus seiner im Grunde recht bescheidenen Story das Bestmögliche heraus, indem er sie – ähnlich wie Dans Vorstellungskraft Grettas Song – geschickt arrangiert, wenngleich nach bewährtem „Once“-Muster nicht übermäßig originell. Die filmischen „Instrumente“, die Carney dabei zur Verfügung stehen, sind die Songs und sein Gespür, die Freude am gemeinsamen Musizieren filmisch mitreißend zu inszenieren, plus die Stadt New York sowie ein ausgezeichnetes Ensemble. Neben Knightley und Ruffalo, deren Beziehung das Herzstück des Films abgibt, sorgen James Corden als Grettas komödiantisch angelegter Sidekick sowie Catherine Keener und Hailee Steinfeld als Dans Ex-Frau und Tochter dafür, dass die emotionalen Konflikte, die in den Songs beschworen werden, in der Handlung solide geerdet werden. Carney, der auch das Drehbuch geschrieben hat, ist überdies klug genug, der Story bis zum Schluss den bittersüßen Beigeschmack zu lassen und es mit der Romantik nicht zu übertreiben. Das Resultat ist ein Film, der zwar niemandes Leben retten, aber einen Abend beträchtlich verschönern kann.