Eine oberbayerische Filmstudentin verliebt sich in Mumbai in einen tamilischen Kunststudenten. Als die Fernbeziehung andauert, reisen zuerst die Regisseurin und später auch ihre Eltern zum Familienbesuch nach Indien. Ein verspielter dokumentarischer Brückenschlag zwischen fremden Kulturen, bei dem es um die humorvoll-ernste Erkundung kultureller Muster geht. Dabei lässt der vielgestaltige (Hochschul)-Film das allzu Vertraute in einem neuen Licht erscheinen. (Teils O.m.d.U.)
- Ab 14.
Amma & Appa - Eine bayerisch-indische Liebe
Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 89 Minuten
Regie: Franziska Schönenberger
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2014
- Produktionsfirma
- HFF München/BR
- Regie
- Franziska Schönenberger · Jayakrishnan Subramanian
- Buch
- Franziska Schönenberger · Jayakrishnan Subramanian
- Kamera
- Minsu Park
- Schnitt
- Robert Vaklily
- Länge
- 89 Minuten
- Kinostart
- 04.09.2014
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Für einen Bollywood-Film wäre dies eine verführerische Idee: die lebenslustige bayerische Filmstudentin Franzi(ska) Schönenberger verliebt sich bei Recherchen in Mumbai in den stillen tamilischen Kunststudenten Jay(akrishnan) Subramanian. Obwohl die Liebenden Welten und Kontinente trennen, verblassen ihre Empfindungen (dank der Internet-Plattform Skype) nicht, sondern entwickelten sich zu einer stabilen Fernbeziehung. Doch dann schießen Jays ahnungslose Eltern dazwischen, da sie für ihren Sohn eine traditionelle Ehe mit einer Tamilin arrangiert haben. Das Paar gerät unter Handlungszwang. Jay kommt an Weihnachten nach Oberbayern, Franzi reist nach Cuddalore, einer Küstenstadt im südöstlichen Bundesstaat Tamil Nadu, schließlich wird eine Begegnung der Eltern in Jays Heimat arrangiert.
Was man sich unschwer als sehnsuchtstrunkenes Melodram ausmalen könnte, verblüfft als verspielt-dokumentarischer Brückenschlag in Ich-Perspektive mit beträchtlichen Kultur-„Schock“-Elementen. „Amma & Appa“ (tamilisch für „Mamma & Pappa“) schildert die Begegnung der Welten primär aus Franzis Sicht, die als Ich-Erzählerin aus dem Off durch die lose chronologisch strukturierte Handlung leitet; mitunter führt auch Jay die Kamera oder steuert kunstvoll animierte Collagen bei. Im Mittelpunkt stehen indes nicht die Gefühle oder die Beziehung der beiden, sondern die teils recht humorvolle, teils bitter ernste Erkundung kultureller Muster. „Wenn Du aus Liebe heiratest, haben wir alles verloren“, sagen Jays Eltern nicht aus Herzlosigkeit, sondern mit Blick auf ihre Versorgung im Alter. Doch auch Franzi findet heraus, dass ihre Eltern nicht nur aus reiner Liebe, sondern durchaus mit pragmatischen Hintergedanken ein Paar geworden sind. Mit Blick auf die Ehe scheinen sich die enormen Differenzen zwischen bayerischen „Ois Guuade“-Mentalität und floral-filigraner Hindu-Verehrung sogar zu verwischen: Bei der Familiengründung dominiert kulturübergreifend knochenharter Konservativismus.
Der große Reiz dieses Hochschulfilms liegt denn auch in der gegenseitigen Spiegelung der Kulturen und Familien. Was zunächst atemberaubend fremd bis befremdend anmutet, wenn das Essen mit fettglänzenden Fingern von Palmblättern in den Mund geschoben wird, verliert im Gegenschnitt auf bayerische Gutbürgerlichkeit viel von seinem exotischen Touch; die Differenzen zwischen Sari und Dirndl, Lederhose und Kurta oder Dhoti ebnen sich ein, wenn man sich näher kommt; mehr noch: der Blick zurück aus der Ferne lässt das allzu Vertraute in einem anderen Licht erscheinen. Ein großer kleiner Film, vielgestaltig, überraschend und mehr dem Augen- als dem Überblick auf der Spur, weshalb am Ende auch kein Happy End in Gestalt einer Eheschließung, sondern „nur“ der Besuch des Oktoberfestes steht.
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