Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 113 Minuten

Regie: Wolf Gaudlitz

Wolf Gaudlitz ist ein Kino-Nomade mit dem Faible fürs fellineske Doku-Feature. Dafür ließ er sich oft durch die Welt treiben, häufig mit seinem Cinemamobile, einem Laster, der sich in ein fahrbares Open-Air-Kino verwandeln lässt. Mit ihm schaukelte er zwischen Algerien und Burkina Faso durch die Unendlichkeit, vage auf der Suche nach Erfahrungen und einem „Mehr“, das sich ihm paradoxerweise gerade in der Leere eröffnete. Immer mit dabei: die Kamera, die sich am Spiel der Sanddünen berauscht oder durch die Gassen verbotener Städte streift, Momente und Episoden protokolliert, die Gaudlitz widerfuhren. „Sahara Salaam“ ist ein magisches Wüstenpoem, das daraus entstand: ein verrückter, betörender Film über eine Welt, in der man Gedichte in den Sand schreibt, damit sie der Wind verbreiten kann. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
solofilm
Regie
Wolf Gaudlitz
Buch
Wolf Gaudlitz
Kamera
Wolf Gaudlitz
Musik
Dirk P. Haubrich
Schnitt
Sebastian Bauer
Länge
113 Minuten
Kinostart
08.05.2014
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Wolf Gaudlitz ist nicht der einzige Kino-Nomade, der mit der Kamera auf der Schulter durch die Welt zieht und Filme abseits der gängigen Wege macht. Doch bei keinem dieser existenziellen Wanderer trifft der Klang von Wüste und Weite so zu wie bei dem hochgewachsenen, geradezu schlaksigen Einzelgänger mit dem ausgeprägten Faible für fellineske Doku-Features. Noch nie hat es Gaudlitz auf Dauer an einem Ort gehalten; immer wieder treibt ihn die Neugier weiter, eine Sehnsucht nach Begegnungen, das Bedürfnis, zu erzählen und zu unterhalten; ein polyglotter Entertainer, sensibel, geistesgegenwärtig, halb Poet, halb versponnener Philosoph. Doch nach den Strapazen von „Taxi Lisboa“ (fd 32 224) und „Palermo flüstert“ (fd 34 829) hatte er vorerst genug vom Filmemachen. Das Multitalent verlegte sich aufs Auditive und den Hörfunk – und ließ sich wieder südwärts treiben, Richtung Sahara, zumeist in seinem „Cinemamobile“, einem Laster, der sich binnen Stunden in ein Open Air-Kino verwandelt. Mit ihm schaukelte Gaudlitz ein Jahrzehnt lang zwischen Algerien und Burkina Faso kreuz und quer durch die Unendlichkeit. Nach Einbruch der Dunkelheit warf er an den abgelegensten Orten, in Städten, in denen seit dem Abzug der Franzosen keine Kinos mehr existieren, in Wüstendörfern oder am Rande von Oasen seinen 35mm-Projektor an und zauberte mit Trickfilmen wie „Azur und Asmar“ (fd 39 610) oder Naturdokumentationen über die Arktis Unerhörtes, Ungesehenes in die Nacht. Immer mit dabei auf den endlosen Wegen durchs „trockene Meer“: die Kamera, die sich am Spiel einer Plastikflasche im Wind berauscht, mit Tuareg-Mädchen flirtet, durch die engen Gassen von Algier streift, das Wunder einer Rettung dokumentiert, nachdem der Laster mit defektem Anlasser mitten im Nirgendwo liegen blieb, und Hunderte weiterer Momente und Episoden festhält, die Gaudlitz in diesen Jahren widerfuhren. „Sahara Salaam“ heißt das magische Wüstenpoem, das aus diesem Füllhorn entstanden ist: ein verrückter, betörender, annähernd unausschöpfbarer Film über eine Welt, in der man Gedichte in den Sand schreibt, damit der Wind sie verbreiten kann. Man braucht ein wenig Geduld, um sich der Logik und den stilistischen Eigenheiten dieser Erzählungen anzuvertrauen, die musikalisch von einer eigens komponierten Wüsten-Sinfonie (Dirk P. Haubrich) getragen werden, die den Orten und ihren Geräuschen Raum lassen und nicht nur Dialoge, sondern auch wichtige Informationen mit Untertiteln ins Bild einblenden. Weder chronologisch noch geografisch geordnet, ist der Erfahrungsraum Sahara tief in die filmische Struktur eingedrungen, mit seinen extremen Gegensätzen und abrupten Wechseln, aber auch mit den politischen Umbrüchen durch die Terror-Anschläge aufs World-Trade-Center und in der Folge des „Arabischen Frühlings“. Militärs sind allgegenwärtig, um Waffenschmuggler muss man einen gehörigen Bogen machen, die Entführung einer deutschen Reisegruppe 2003 in Illizi lässt den Touristenstrom versiegen, dafür nimmt die Ausbeutung an Bodenschätzen und Erdgas zu, die mit Monstertrucks und futuristischem Gerät eine breite Spur der Zerstörung hinter sich her zieht. Mit wachen Sinnen registriert der Film die Zeichen der Zeit, ohne sich darin zu verlieren. Gaudlitz ist kein Reporter, sondern ein Suchender, der sich berühren und verzaubern lässt von dem, was ihm begegnet: Lastwagenfahrer, die ihn zum Essen einladen, Kleinkünstler in Mali, die mit einem Krokodil ihre Scherze treiben, ein ehemaliger Kamelführer der französischen Armee und seine lautstarke Hausa-Frau, befreundete Beduinen, die über die Frage sinnieren, ob der Sand für die Tuaregs gemacht wurde, und sich zu einem farbenprächtig-pittoresken Tanz in den Dünen animieren lassen. Deutlicher als in seinem bisherigen Werk sind Gaudlitz aber auch die Strapazen und der „Preis“ eines Lebens auf „der Achse des Lächelns“ anzumerken, dem ihn die Suche nach einem „Mehr“ abverlangt. „Warum mache ich das eigentlich?“, fragt er mit sonnenverbranntem Gesicht in die Kamera, ständig allein, im Kampf mit den Elementen, dem Sand, dem Wind und der Sonne, um in einem Nebensatz im Abspann eine wunderbare Metapher für sein Kunstschaffen zu enthüllen: „Die Kamera hört niemals Stereo.“ Weil Gaudlitz’ Kunst aus seiner eigenen Erfahrung erwächst, ist seine Erkenntnis, dass GPS zwar eine tolle Erfindung, im Zweifel aber dem siebten Sinn niemals ebenbürtig ist, kein wohlfeiles Bonmot, sondern eine Art Quintessenz eines Menschen, den seine Suche nach einem vagen „Mehr“ paradoxerweise geradewegs in die Leere der Wüste geführt hat.
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