Schiffbruch mit verrückter Hoffnung

Literaturverfilmung | Frankreich 2013 | 180 Minuten

Regie: Ariane Mnouchkine

Kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs versuchen einige freie Stummfilm-Künstler, auf dem Dachboden eines Wirtshauses einen utopischen Roman zu verfilmen. Die angestrebte ernste Umsetzung des Stoffs gleitet durch die mangelnde Professionalität immer wieder in Chaos ab. Die filmische Version eines gefeierten Theaterspektakels von Ariane Mnouchkine geht durch regen Einsatz von Kamera und Schnitt deutlich über eine bloße Abfilmung des Bühnenereignisses hinaus. Die vor Einfällen sprühende Inszenierung überzeugt zudem als vielschichtige Reflexion über Theater und Kino, Utopie und Realität wie als mitreißende Hommage an die machtvolle Verbindung von Kunst und Fantasie. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LES NAUFRAGÉS DU FOL ESPOIR
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Théâtre du Soleil/Bel Air Media/ARTE France/France Télévisions/SESC de Sao Paulo/Tele München
Regie
Ariane Mnouchkine
Buch
Hélène Cixous
Kamera
Bernard Zitzermann
Musik
Jean-Jacques Lemêtre
Schnitt
Catherine Vilpoux
Darsteller
Maurice Durozier (Jean La Palette) · Juliana Carneiro Da Cunha (Gabrielle) · Duccio Bellugi-Vanuccini (Tommaso) · Serge Nicolaï (Louis) · Sébastien Brottet-Michel (Ernest Choubert)
Länge
180 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
BelAir/Harmonia Mundi (16:9, 1.78:1, DD5.1 frz.)
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Man schreibt das Jahr 1914. Während sich die europäischen Nationen für den Ersten Weltkrieg rüsten, gibt man sich in einem kleinen französischen Wirtshaus noch dem Traum vom friedlichen Zusammenleben hin; eine verrückte Hoffnung, wie sie durch den sprechenden Namen des Hauses, „Fol Espoir“, kommentiert wird.

Diskussion
Man schreibt das Jahr 1914. Während sich die europäischen Nationen für den Ersten Weltkrieg rüsten, gibt man sich in einem kleinen französischen Wirtshaus noch dem Traum vom friedlichen Zusammenleben hin; eine verrückte Hoffnung, wie sie durch den sprechenden Namen des Hauses, „Fol Espoir“, kommentiert wird. Eine Gruppe von Stummfilmkünstlern um die Geschwister Jean und Gabrielle La Palette hat beim Studio Pathé gekündigt und will unter Mitwirkung des Wirtshauspersonals auf dem Dachboden einen eigenen Film drehen: die Adaption eines posthum erschienenen Jules-Verne-Romans über Auswanderer, die nach einem Schiffbruch auf einer südamerikanischen Insel eine utopische Gesellschaft ohne Standesunterschiede, Not und Konflikte etablieren möchten. Mit „Les naufragés du fol espoir“ gelang der französischen Regisseurin Ariane Mnouchkine und ihrem legendären Künstlerkollektiv „Théâtre du Soleil“ 2010 ein Theatercoup, der nun auch in filmischer Form vorliegt. Zu sehen ist ein Theaterspektakel, das mit einem fiktiven „Making of“ das frühe Kino feiert. Die Akteure ahmen die exaltierten Gesten und die überzogene Mimik der ersten Stummfilmdarsteller nach, ihre Dialoge erscheinen als eingeblendete Schrift, und das hehre Projekt gleitet vom beabsichtigten Pathos immer wieder in Slapstick-Nummern ab, bei denen den Beteiligten die Sahnetorten um die Ohren fliegen. Mnouchkine erschafft ein vor Einfällen sprühendes Hybrid aus Theater und Kino, indem sie den begrenzten Raum der Bühne beibehält, durch eine rege Kameraführung und häufige Schnitte jedoch den Eindruck einer lediglich abgefilmten Aufführung strikt meidet. Hinzu kommt eine Reflexion des Geschehens auf mehreren Ebenen: Während sich bei der Filmcrew in der Wahl des Stoffes auch der revolutionäre Impetus des Unterfangens spiegelt, findet das Scheitern der utopischen Inselgesellschaft durch die Gier nach Gold ihre Entsprechung im ständigen Chaos der Dreharbeiten – außerhalb des Wirtshauses zerschlagen sich derweil die Hoffnungen, den Krieg noch zu verhindern. Utopien mögen vergehen, doch der unbegrenzte Glaube an die machtvolle Verbindung von Kunst und Fantasie bleibt. Ariane Mnouchkine beschwört ihn in verschachtelten Rahmensequenzen: Eine Historikerin schreibt die Geschichte des Filmprojekts nieder, ihre kleine Tochter und deren Freund träumen sich ins „Fol Espoir“ hinein und werden zu Zeugen der lebhaften Dreharbeiten; ein Spielkamerad der Kinder liest das originale Textbuch und wird ebenfalls von der Geschichte gefangen genommen. Dass die Regisseurin sich auf diese Weise ganz offensiv zu einer unmittelbaren, ja naiven Rezeption ihrer Kunstform bekennt, leuchtet ein. Ihr „Les naufragés du fol espoir“ ist wunderbares filmisches Theater zum Staunen und Träumen.
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