Die Wirklichkeit kommt

Dokumentarfilm | Deutschland 2013 | 86 Minuten

Regie: Niels Bolbrinker

Die aktuellen Erkenntnisse über die Möglichkeiten technischer Überwachung scheinen all jenen Recht zu geben, die schon immer vor Funkstrahlung und anonymen „Spähern“ gewarnt haben. Dokumentarfilm über „Wavies“, „Mind Control Victims“ und andere Paranoiker, die plötzlich als ernstzunehmende Propheten erscheinen. Der erhellende, über Strecken ausgesprochen schön fotografierte und orchestrierte Essay setzt die teils bizarren Ansichten der Verschwörungstheoretiker mit den neuesten technischen Möglichkeiten in Bezug und fahndet nach Schnittmengen zwischen Einbildung und Wirklichkeit. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Filmtank
Regie
Niels Bolbrinker · Roswitha Ziegler
Buch
Niels Bolbrinker
Kamera
Niels Bolbrinker
Musik
Paul Lemp
Schnitt
Niels Bolbrinker
Länge
86 Minuten
Kinostart
15.05.2014
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
„Leben Sie oder werden Sie gelebt?“ Das ist die Frage, die der Dokumentarfilmemacher Niels Bolbrinker in seinem Essay „Die Wirklichkeit kommt“ stellt. Den Satz, der sich an einen populären Werbeslogan anlehnt, haben Menschen in rührend altmodischer Schreibschrift auf ein Banner gemalt, weil sie den gesundheitsschädigenden Einfluss der allgegenwärtigen Funkstrahlung fürchten, sich permanent überwacht fühlen oder schlicht Angst haben, jemand könnte einen Chip in ihrem Kopf implantierten. „Wavies“ nennt Constanze Kurz vom Chaos Computer Club diese Menschen. Psychiater bezeichnen Ängste vor Apparaturen, die manipulierend und oft unmerklich auf das Gehirn zugreifen, als „paranoiden Technikwahn“. Seit der Industrialisierung existieren solchen Ängste bereits; Bolbrinker zeigt Zeichnungen von Patienten aus der Sammlung eines Psychotherapeuten vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Lassen sich die „Wavies“ einfach als Spinner abtun? Oder sind es die eigentlichen Propheten unseres Zeitalters? Bolbrinker, Regisseur, Autor, Kameramann und Cutter in Personalunion, schafft sich durch einen Kunstgriff ein Alter Ego, das in einem persönlichen, von einer weiblichen Stimme gesprochenen Off-Kommentar durch den Film führt. Der Rundgang beginnt auf dem Berliner Teufelsberg, wo die alte NSA-Überwachungsanlage pittoresk vor sich hin verfällt. Auch seinen Hauptprotagonisten Harald, einen „Wavie“, der ihn in die Szene der „Mind Control Victims“ einführt, lässt er durch die ruinöse Szenerie streifen. Bolbrinker war Mitte der 1970er-Jahre Mitbegründer der „Wendländischen Filmkooperative“ und hat sich schon einmal eines verwandten Themas angenommen: In „Alles unter Kontrolle. Notizen auf dem Weg zum Überwachungsstaat“ (fd 23 964) beschäftigte er sich kritisch mit der Datenspeicherung. „Die Wirklichkeit kommt“ schweift historisch aus: Ein Berliner Stadtarchäologe legt die hinter dichtem Bewuchs verborgenen Wandinschriften eines Mannes frei, der in den 1970er-Jahren allein auf weiter Flur vor der manipulativen Wirkung von Radiowellen warnte. Bolbrinker montiert diese Sequenzen und Fotos des Mannes parallel zu Archivaufnahmen von entsprechenden Versuchsanordnungen der amerikanischen und sowjetischen Geheimdienste – unterlegt mit einem sphärisch raunenden Soundtrack. Diese Genese des „paranoiden Technikwahns“ schließt er wiederum mit der Gegenwart kurz. Den aktuellen Paranoikern stellt der Film die reale Entwicklung moderner Überwachungs- und Ausspähungstechnologien gegenüber. Mit überraschendem Ergebnis. Er besucht das Max Planck Institut für Biologische Kybernetik und lässt sich Drohnen erklären, die sich wie Vogelschwärme bewegen, er begutachtet moderne Mikrowellenwaffen im Probeeinsatz. Die Informatikerin Constanze Kurz, sehr rational und bestens informiert, bezeichnet das Handy als moderne „Ortungswanze“.
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