Ein israelischer Geheimdienstoffizier hat sich mit einem jungen palästinensischen Informanten angefreundet, dessen Bruder von Jerusalem aus terroristische Anschläge der Âl-Aqsa-Brigaden koordiniert. Das Vater-Sohn-ähnliche Verhältnis geht weit über den Austausch von Informationen gegen Geld hinaus, was beide in tiefe moralische Konflikte stürzt und zwischen die Fronten geraten lässt. Ein spannender, temporeicher Thriller, der beständig seine beiden zentralen Perspektiven wechselt und dadurch komplexe Zusammenhänge ausgelotet. Sehr gut recherchiert und von Laiendarstellern überzeugend gespielt, arbeitet der Film trotz seiner genretypischen Zuspitzungen erfolgreich allen Vereinfachungen entgegen. (O.m.d.U.)
- Sehenswert ab 16.
Bethlehem
Thriller | Israel/Belgien/Deutschland 2013 | 100 Minuten
Regie: Yuval Adler
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Filmdaten
- Originaltitel
- BETHLEHEM
- Produktionsland
- Israel/Belgien/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2013
- Produktionsfirma
- Pie Films/Entre Chien et Loup/Gringo Films
- Regie
- Yuval Adler
- Buch
- Yuval Adler · Ali Wakad
- Kamera
- Yaron Scharf
- Musik
- Ishai Adar
- Schnitt
- Ron Omer
- Darsteller
- Shadi Mar'i (Sanfur) · Tsahi Halevy (Razi) · Hitham Omari (Badawi) · Tarek Copti (Abu Ibrahim) · Michal Shtemler (Einat)
- Länge
- 100 Minuten
- Kinostart
- 09.01.2014
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Thriller
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Ganz am Ende besucht der Protagonist Razi mit seiner Familie den Jerusalemer Zoo und betrachtet die Elefanten. Neben ihnen steht eine Familie, die arabisch spricht. Razi mischt sich in ihr Gespräch ein, es geht um eine arabische Redensart. „Andere sind hinter Frauen her...“, bemerkt Razis Frau dazu spitz. Razi, Agent beim israelischen Geheimdienst, ist eine der beiden Hauptfiguren in Yuval Adlers Spielfilmdebüt; die andere ist Sanfur, ein 17-jähriger Palästinenser aus Bethlehem.
Sanfur ist Razis vielleicht wichtigster Informant, denn sein Bruder Ibrahim ist Chef der al-Aqsa-Brigaden von Bethlehem; er lebt irgendwo versteckt im Ostteil Jerusalems, von wo aus er Anschläge in Israel koordiniert. Sanfur und Razi verbindet eine Vater-Sohn-Beziehung, die offenbar von der reinen Notwendigkeit, einem „So-tun-als-ob“, in eine tatsächliche emotionale Bindung gekippt ist. Sanfur führt jedoch ein Doppelleben. Razi weiß nicht, dass Sanfur seinen Bruder mit Geld von der Hamas versorgt, das Ibrahim für die Finanzierung der Anschläge benötigt. Als dies herauskommt und Razis Vorgesetzter gleichzeitig dessen enge Bindung zu Sanfur bemerkt, verlangt er die gezielte Tötung Ibrahims bei der Geldübergabe auf einem Markt. Dies würde aber auch den Tod Sanfurs nach sich ziehen. Razi versucht deshalb, Sanfur zu schützen, ohne den Zugriff auf Ibrahim zu verhindern.
„Bethlehem“ zerfällt in zwei Teile. Der erste, atemlos vorantreibend, ist von der Jagd auf den Terroristen bestimmt. Das Finale in einem Haus, in das sich Ibrahim geflüchtet hat, ist ähnlich packend und actiongeladen inszeniert wie die Tötung Osama Bin Ladens in Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“ (fd 41 518).
Nebenbei wird eine Geheimdienst-Taktik enthüllt, die später noch von Bedeutung ist: die Erpressung von Informationen über familiäre Bindungen. So wird ein Familienmitglied der palästinensischen Familie, in dessen Haus der Geheimdienst eingedrungen ist, in einem israelischen Krankenhaus wegen Krebs behandelt. Während des Einsatzes finden Razis Mitarbeiter dies schnell heraus – wodurch Razi auch vom Versteck Ibrahims erfährt.
Im zweiten Teil arbeiten Yuval Adler und sein palästinensischer Co-Autor Ali Waked die moralischen Zwänge heraus, in denen die Figuren stecken. Sie halten dabei am alternierenden Perspektivwechsel zwischen Jerusalem und Bethlehem, Razi, Sanfur und Badawi fest, der nach dem Tod Ibrahims die al-Aqsa-Brigaden in Bethlehem leitet. Daraus entsteht im Rahmen eines spannenden, psychologisch hochintelligenten Thrillers ein komplexes Bild der israelisch-palästinensischen Wirklichkeit.
Die Hauptrollen des Films sind beeindruckend differenziert gespielt, obwohl sie durchweg mit Laien besetzt sind: Tsahi Halevy (Razi) ist ein Musiker, der bei einer Eliteeinheit seinen Militärdienst ableistete, Shadi Mar'i (Sanfur) ein Jugendlicher aus der Nähe von Nazareth, der in Theatergruppen mitspielt, und Haitham Omari (Badawi) ein palästinensischer Kameramann.
Der sehr gut recherchierte Film taucht minutiös in die palästinensisch-israelische Verstrickungen ein und arbeitet, ähnlich wie es „Syriana“ (fd 37 488) in globalen Zusammenhängen unternimmt, mit Erfolg wider die Simplifizierung. Weder auf der einen noch auf der anderen Seite wird um Sympathie geheischt, auch wenn die Palästinenser, im korrupten Polit-Krieg zwischen Palästinenserbehörde, al-Aqsa-Brigaden und Hamas, vielleicht ein wenig unsympathischer gezeichnet sind als die Israelis. Aber auch hier gilt: „Bethlehem“ ist nicht zuletzt ein Genrefilm und als solcher auf Zuspitzungen angewiesen.
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