Ein nur knapp verfehlter Showdown eröffnet den Films. Bedrohlich sich steigernde Trommeln. Ein Mann reitet in Begleitung eines Knechts mit einer Herde prächtiger Pferde durch eine imposante Landschaft, auf der anderen Seite errichten Männer in einem Wald einen Schlagbaum, es kommt zur Konfrontation. Von dieser ersten, duellähnlich inszenierten Begegnung zwischen dem Pferdehändler Michael Kohlhaas und dem Verwalter des neuen Baron, der willkürlich einen Passierschein verlangt und Kohlhaas zwei seiner Rappen als Pfand abnimmt, die er später völlig zerschunden zurückerhält, baut sich die Geschichte um Kohlhaas und seinen erbitterten Kampf um Gerechtigkeit auf. Nachdem Staat und Justiz ihm sein Recht verweigert haben, nimmt er das Gesetz selbst in die Hand. „Ich will meine Pferde im alten Zustand zurückhaben“, lautet Kohlhaas’ wiederholte Forderung, die nicht nur seine Frau das Leben kostet, sondern einen blutigen Feldzug mit Anhängern und Rebellen aus der Bevölkerung gegen die Herrschenden nach sich zieht.
Heinrich von Kleist hat Kohlhaas in seiner gleichnamigen, 1810 geschriebenen und Mitte des 16. Jahrhunderts angesiedelten Novelle einen der „rechtschaffensten“ und zugleich „entsetzlichsten Menschen seiner Zeit“ genannt. Auch Arnaud des Pallières fragt in seiner Verfilmung, wo Prinzipientreue und moralische Integrität aufhören und blinder Gerechtigkeitsfanatismus beginnt. Dass des Pallières bei der Besetzung seiner Hauptfigur ausgerechnet ein Pendant zu Clint Eastwood im Sinn hatte („nur mindestens dreißig Jahre jünger“), sagt einiges über die (auch ästhetische) Ausrichtung des Films. Nicht nur die Figurenzeichnung, auch die Inszenierung der Orte und das visuelle Vokabular sind eindeutig dem Western entlehnt – mitunter sieht man sich gar an die epischen Rachegeschichten eines Anthony Mann erinnert.
Mads Mikkelsens wie in Stein gemeißelten Gesichtszüge finden sich dabei in den Landschaften der Cevennen wider, in die des Pallières die Handlung von Brandenburg und Sachsen verlegt hat – eine karge Region, in der sich Bergmassive mit Hochplateaus und tiefen Schluchten abwechseln. Jeanne Lapoirie fängt sie in majestätischen Cinemascope-Bildern ein, wobei der Film immer wieder harte, wenn auch dynamische Schnitte setzt: zwischen imposanten Totalen, die die raue Schönheit der Landschaft erfassen, und intimen Nahaufnahmen, in denen sich die Erzählung zum Porträt menschlicher Beziehungen verdichtet (im Vordergrund: das Verhältnis von Kohlhaas zu seiner Tochter Lisbeth). Mitunter werden Bild und Ton zu purer physischer Präsenz: man hört das Summen der Insekten, das Schnauben der Pferde, den heulenden Wind. Die in sattem Sonnenlicht getränkte Natur – in einer großartigen Szene lösen sich die Bilder eines Waldes in ein Flirren von Farben und Bewegungen auf – verbindet sich nahezu organisch mit Mensch und Tier (und insbesondere dem Pferd).
Auch wenn Kleist in seiner Novelle den Konflikt zweier Rechtsauffassungen verhandelte – der des Mittelalters und der Aufklärung –, ist sein „Michael Kohlhaas“ als philosophische Reflexion über Gerechtigkeit, Unterdrückung und Widerstand ein zeitloser Stoff. Arnaud des Pallières Version forciert weder einen konkreten Gegenwartsbezug noch bleibt er in vager Allgemeinheit stecken – vor allem seine Konzentration und Kargheit machen den Film zu einem Neo-Klassiker im besten Sinn.