Ein abgelegenes österreichisches Gasthaus an der Grenze zur Slowakei, die wilde Natur in den schwermütigen March-Auen, zwei Männer und eine Frau, die mit den egozentrischen Interessen der Männer konfrontiert wird und erfolgreich aus der unerträglichen Situation ausbricht. Ein Kammerspiel als Dreiecksgeschichte nach dem Bühnenstück „Der Weibsteufel“ von Karl Schönherr aus dem Jahr 1914, das aus den Alpen, der Klaustrophobie der Berge, in die trügerische Weite der Sumpf- und Grenzlandschaft verlegt wurde. In großen Kinobildern, dabei eher introspektiv als eruptiv über Blicke, Gesten und lakonische Andeutungen erzählt der Film von den widerstreitenden Interessen der Charaktere, ihren Leidenschaften und Verstrickungen.
- Ab 16.
Grenzgänger (2012)
Drama | Österreich 2012 | 88 (24 B./sec.)/85 (25 B./sec.) Minuten
Regie: Florian Flicker
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Filmdaten
- Originaltitel
- GRENZGÄNGER
- Produktionsland
- Österreich
- Produktionsjahr
- 2012
- Produktionsfirma
- Prisma Film- und Fernsehprod.
- Regie
- Florian Flicker
- Buch
- Florian Flicker
- Kamera
- Martin Gschlacht
- Musik
- Eva Jantschitsch
- Schnitt
- Karina Ressler
- Darsteller
- Andreas Lust (Hans) · Andrea Wenzl (Jana) · Stefan Pohl (Ronnie) · Martin Schwanda (Fuchs) · David Miesmer (Richard)
- Länge
- 88 (24 B.
sec.)
85 (25 B.
sec.) Minuten - Kinostart
- 12.09.2013
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama | Literaturverfilmung
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Ein einsames Gasthaus mitten in der Natur, eine Schotterpiste führt daran vorbei. Kindergeschrei hallt über das dichte Gras, in dem lebensgroße Tierfiguren stehen, auf die man schießen kann, mit Pfeil und Bogen.
Florian Flicker hat für „Grenzgänger“ eine Landschaft entdeckt und berückend in Szene gesetzt: die niederösterreichischen March-Auen, nicht weit von Wien. Die March ist ein Nebenfluss der Donau. Fast 100 Kilometer lang markiert sie die Grenze zur Slowakei. Wenn Hans mit seinem schmalen Holzboot durch die Morgennebel über dem Fluss schippert, links und rechts das Schilfgras, der Wald, der Sumpf, dann ruft das nicht nur in dem blutjungen Grenzschützer Ronnie Erinnerungen an das Patrouillenboot aus „Apocalypse Now“ (fd 22 192) wach. In der Szene im Boot deutet sich kurz die Möglichkeit einer Männerfreundschaft an. Doch dafür ist es zu spät. Denn der Schleuser Hans und Ronnie konkurrieren um Hans’ Frau Jana.
Das österreichische Militär kontrollierte bis 2007 dieser „blauen Grenze“, über die Flüchtlinge aus Osteuropa schwimmend in den Westen gelangten. Die Dreiecksgeschichte spielt indes im Sommer 2001. Hans (Andreas Lust), der mit seiner Frau Jana (Andrea Wenzl) das Gasthaus betreibt, schleust nachts Flüchtlinge über die Grenze. Die beiden verstehen sich gut, als eingespieltes Team meistern sie ohne viele Worte den ruhigen Alltag, der von gelegentlichen Hausdurchsuchungen des Militärs unterbrochen wird. Hans’ Traum, ein Golfressort zu eröffnen, erscheint der jungen Frau allerdings zweifelhaft: seine Pläne bleiben unkommentiert. Dann macht Ronnie im Gasthaus Rast. Auf dem Pferd ist er zu seinem mitten im Sumpf gelegenen Wachturm unterwegs.
Ronnie ist der einzige berittene Soldat, sein Pferd ein Haflinger. Neben den Tierfiguren und den Fischen, die Hans fängt, ist es das einzige Tier, das in „Grenzgänger“ zu sehen ist, auch wenn von der vielfältigen Fauna die Rede ist, von den Hirschen, den Bibern und den Adlern. Der Kameramann Martin Gschlacht inszeniert das Motiv zwischen Märchen und Western mit einem Augenzwinkern: Kurz darf das Pferd, in einem überwältigend romantischen Tableau, vor dem Gasthaus golden in der Abendsonne leuchten. Doch die Bilder, die kurz in Licht und Farben schwelgen, werden von der Dramaturgie alsbald konterkariert. Ansonsten zeigt die Kamera wilde, der Zeit enthobene Sumpflandschaften, mit etwas ausgeblichenen, leicht verfremdeten Farben, wie auf Fotografien aus den 1970er-Jahren. Die Musikerin Eva Jantschitsch alias Gustav hat mit ihrem eigenwillig ätherisch-melancholischen Elektropop den synästhetisch idealen Soundtrack beigesteuert.
„Grenzgänger“ ist Flickers erster Spielfilm nach dem kriminalistischen Kammerspiel „Der Überfall“ (fd 35 137) aus dem Jahr 2000. Zwischendurch hat der Wiener Autor und Regisseur fürs Theater inszeniert, erfolglos für ein anderes Spielfilm-Projekt gekämpft und den ironisch-topografischen, dokumentarischen Abgesang „No Name City“ auf eine österreichische Westernstadt gedreht. Die Western-Ironie findet sich auch in „Grenzgänger“, aber auch die Dreierkonstellation aus „Der Überfall“ und die Flüchtlingsthematik seines viel gelobten Road Movies „Suzie Washington“ (fd 33 461).
Als Vorlage diente das Drama „Der Weibsteufel“ von Karl Schönherr. In einer Inszenierung von Martin Kusej hat das Stück aus dem Jahr 1914 in letzter Zeit als „schwarze Emanzipationsgeschichte“ große Erfolge gefeiert; im Presseheft betont der Regisseur allerdings, dass er schon vor dieser Inszenierung auf den Stoff gekommen sei: Eine Frau wird zwischen zwei Männern und deren eher materiellen Interessen aufgerieben, triumphiert schlussendlich aber, indem sie mit den gleichen Waffen – nur ungleich stärker oder perfider – zurückschlägt und den einen gegen den anderen aufhetzt. Flicker macht in der Tat etwas ganz anderes als Kusej aus dem Stoff: Er erzählt die unterschiedlichen Charaktere und widerstreitenden Interessen, Leidenschaften und Verstrickungen eher introspektiv als eruptiv, über Blicke, Gesten, lakonische Andeutungen. Ein klein wenig wird die Dreiecksgeschichte dabei von der raunend gedämpften Dramatik der Bilder untergebuttert – dies hängt auch mit der Figur des Ronnie zusammen, die am Ende allzu betont als bourgeoiser Schnösel demontiert wird. Aus den Alpen, der Klaustrophobie der Berge, hat Flicker das Kammerspiel in die trügerische Weite der Sumpf- und Grenzlandschaft verlegt. Ein goldenes Pferd steht vor dem Haus. Die Sonne leuchtet. Dann fällt ein Schuss.
Als Vorlage diente das Drama „Der Weibsteufel“ von Karl Schönherr. In einer Inszenierung von Martin Kusej hat das Stück aus dem Jahr 1914 in letzter Zeit als „schwarze Emanzipationsgeschichte“ große Erfolge gefeiert; im Presseheft betont der Regisseur allerdings, dass er schon vor dieser Inszenierung auf den Stoff gekommen sei: Eine Frau wird zwischen zwei Männern und deren eher materiellen Interessen aufgerieben, triumphiert schlussendlich aber, indem sie mit den gleichen Waffen – nur ungleich stärker oder perfider – zurückschlägt und den einen gegen den anderen aufhetzt. Flicker macht in der Tat etwas ganz anderes als Kusej aus dem Stoff: Er erzählt die unterschiedlichen Charaktere und widerstreitenden Interessen, Leidenschaften und Verstrickungen eher introspektiv als eruptiv, über Blicke, Gesten, lakonische Andeutungen. Ein klein wenig wird die Dreiecksgeschichte dabei von der raunend gedämpften Dramatik der Bilder untergebuttert – dies hängt auch mit der Figur des Ronnie zusammen, die am Ende allzu betont als bourgeoiser Schnösel demontiert wird. Aus den Alpen, der Klaustrophobie der Berge, hat Flicker das Kammerspiel in die trügerische Weite der Sumpf- und Grenzlandschaft verlegt. Ein goldenes Pferd steht vor dem Haus. Die Sonne leuchtet. Dann fällt ein Schuss.
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