Eine Architektin Mitte 50, die zu Rumäniens Oberschicht, zu den Machern mit Geld und Beziehungen gehört, setzt ohne Rücksicht auf Verluste all ihren Einfluss ein, um zu verhindern, dass ihr erwachsener Sohn bestraft wird. Dieser hat einen verhängnisvollen Unfall verursacht, bei dem ein Teenager ums Leben kam. Die spannungsreiche, von Hassliebe geprägte, ungesunde Beziehung von Mutter und Sohn wird als beklemmendes Kammerspiel ausgelotet. Darüber hinaus ist der Film ein brisantes Gesellschaftsporträt des postsozialistischen Rumäniens, in dem in den öffentlichen Institutionen wie in privaten Beziehungen das Geld die oberste Instanz zu sein scheint.
- Sehenswert ab 16.
Mutter & Sohn (2012)
Drama | Rumänien 2012 | 112 (24 B./sec.)/108 (25 B./sec.) Minuten
Regie: Calin Peter Netzer
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Filmdaten
- Originaltitel
- POZITIA COPILULUI
- Produktionsland
- Rumänien
- Produktionsjahr
- 2012
- Produktionsfirma
- Parada Film/Hai-Hui Ent.
- Regie
- Calin Peter Netzer
- Buch
- Razvan Radulescu · Calin Peter Netzer
- Kamera
- Andrei Butica
- Schnitt
- Dana Lucretia Bunescu
- Darsteller
- Bogdan Dumitrache (Barbu) · Luminita Gheorghiu (Cornelia) · Natasa Raab (Olga Cerchez) · Ilinca Goia (Carmen) · Vlad Ivanov (Dinu Laurentiu)
- Länge
- 112 (24 B.
sec.)
108 (25 B.
sec.) Minuten - Kinostart
- 23.05.2013
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Sie bewegt sich, als wäre ein unsichtbarer roter Teppich unter ihren Füßen ausgerollt: Als Cornelia zu Beginn des Films das Polizeipräsidium betritt, dann scheint sie alle anderen dort an den Rand der Wahrnehmung zu drängen. Die Mittfünfzigerin gehört zu Rumäniens Oberschicht, zu den Machern mit Geld und mit Beziehungen. Diesen Einfluss setzt sie ohne Rücksicht auf Verluste ein. Cornelia ist hier, um ihren erwachsenen Sohn Barbu abzuholen. Dieser hat früher am Abend einen verhängnisvollen Unfall gebaut, bei dem ein Teenager ums Leben gekommen ist. Auch die Familie des Opfers ist im Präsidium; aber für Cornelia scheint sie so gut wie unsichtbar: Sie ist ganz fixiert auf ihren Sohn, für den der Unfall ohne Konsequenzen bleiben soll – koste es, was es wolle. Dass Barbu selbst ihren Schutz gar nicht will, hält Cornelia davon ebenso wenig ab, Druck auf die ermittelnden Polizisten auszuüben, wie etwaige Skrupel gegenüber den Leidtragenden, die gerade einen Sohn verloren haben.
Cornelia ist Architektin, und sie ist es gewohnt, die Dinge so einzurichten, wie sie sie haben will. Regisseur Calin Peter Netzer und seine furiose Hauptdarstellerin Luminiţa Gheorghiu zeichnen sie als ebenso imponierende wie erschreckende Figur: imponierend in ihrer Stärke, erschreckend in ihrer völligen Ignoranz gegenüber den Gefühlen anderer Menschen. Ihr Sohn Barbu, der im Laufe des Films darum ringt, sich gegen ihre übergriffige Mutterliebe abzugrenzen, und es doch nicht schafft, für sich selbst einzustehen, ist halb Opfer, halb Nutznießer dieser mütterlichen Dominanz.
Allerdings beschränkt sich Netzer in „Mutter & Sohn“ nicht darauf, die spannungsreiche, von Hassliebe geprägte, ungesunde Beziehung der beiden als beklemmendes Kammerspiel auszuloten. Sein Film ist auch ein Gesellschaftsporträt des postsozialistischen Rumäniens, in dem in den öffentlichen Institutionen wie in den privaten Beziehungen das Geld die oberste Instanz zu sein scheint. Noch beklemmender als die Szenen, die zeigen, wie sich Cornelia die Polizei gefügig macht, ist in diesem Zusammenhang eine Sequenz, in der sie in einem Café den Fahrer eines weiteren Wagen trifft, der an dem tödlichen Unfall beteiligt – und durchaus auch mit schuld – war. Die Mutter will den Zeugen kaufen; der Zeuge feilscht hemmungslos um seinen Preis. Dabei geht es Netzer allerdings nicht schlicht darum, die Skrupellosigkeit und moralische Verkommenheit der Reichen und Mächtigen zu brandmarken; vielmehr seziert sein Film, wie diese Mentalität den Emotionshaushalt aller vergiftet. Cornelia ist keine böse Frau, sie ist lediglich eine Frau mit völlig verengtem Blickfeld – und das muss wieder geweitet werden. Wenn Netzer seinen Film mit einer Sequenz schließen lässt, in der Cornelia und Barbu endlich über ihren eigenen familiären wie sozialen Tellerrand blicken und gemeinsam an der ärmlichen Peripherie jene Familie aufsuchen, deren Kind bei dem Unfall ums Leben kam, ist das einerseits schmerzhaft – andererseits aber auch ein hoffnungsvoller Akzent.
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