Während er auf die Vollstreckung seines Urteils - sechs Jahre Haft und 20 Jahre Berufsverbot - beziehungsweise das Berufungsverfahren wartet, dreht der unter Hausarrest stehende iranische Filmemacher Jafar Panahi in seiner Wohnung mit Hilfe eines Freundes einen Film, der seinen Tagesablauf dokumentiert, der aber auch seine politisch motivierten Filme grundsätzlich rekapituliert. Überdies veranschaulicht er ein neues Projekt, das womöglich nie gedreht werden wird. Ein wichtiges (Zeit-)Dokument, ein persönlicher Hilferuf sowie ein Beispiel für engagiert-couragiertes Filmemachen.
- Sehenswert ab 16.
This Is Not a Film
Dokumentarfilm | Iran 2010 | 75 Minuten
Regie: Jafar Panahi
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Filmdaten
- Originaltitel
- IN FILM NIST
- Produktionsland
- Iran
- Produktionsjahr
- 2010
- Produktionsfirma
- Jafar Panahi Film Prod.
- Regie
- Jafar Panahi · Mojtaba Mirtahmasb
- Buch
- Jafar Panahi
- Schnitt
- Jafar Panahi
- Länge
- 75 Minuten
- Kinostart
- 03.05.2012
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Bei der „Berlinale“ 2011 blieb ein Jury-Sitz leer: der des iranischen Regisseurs Jafar Panahi. Nicht, dass Panahi diesen abgelehnt hätte, doch dem Filmemacher wird in seiner Heimat derzeit das Leben (und Schaffen) schwer gemacht. Panahi wurde der „Propaganda gegen das Regime“ für schuldig befunden und stand im Februar 2011 in Teheran unter Hausarrest. Kurz darauf realisierte er seinen jüngsten Film. „In Film Nist“/„This is Not a Film“ erlebte seine Uraufführung 2011 in Cannes; ebenso treffend könnte er „Ein Tag im Leben von Jafar Panahi“ heißen. Zusammen mit Panahi zeichnet der bisher vor allem als Kameramann und Tonmeister bekannte Mojtaba Mirtahmasb für die Regie verantwortlich; der Abspann gibt anonymisiert ein Dutzend weitere Mitarbeiter an. Zu umschreiben ist „This Is Not a Film“ als Dokument in laufenden Bildern und Tönen, zu vermuten ist allerdings, dass er so „rein dokumentarisch“, wie er daherkommt, nicht ist: Schon in „Offside“ (fd 37 673) hat sich Panahi im Grenzbereich des Fiktiv-Realen bewegt, und auch hier scheint einiges durchaus inszeniert. „This Is Not a Film“ beginnt am frühen Morgen und schildert bis tief in die Nacht, was der unter Hausarrest und Berufsverbot stehende Filmregisseur in seiner Wohnung treibt. Noch während des Frühstücks ruft Panahi seinen Freund Mirtahmasb an und bittet ihn, mit der Kamera bei ihm vorbeizuschauen: Telefon, Handy, Computer, Fernsehen sowie an der Wohnungstür klingelnde Menschen – nebst Mirtahmasb ein Fastfood-Kurier, eine Nachbarin, der Hauswart – sind Panahis Verbindungen zur Welt.
Mirtahmasb kommt und verbringt fast den ganzen Tag mit Panahi. Er verfolgt ihn mit der Kamera – davor und danach steht sie, sofern sie Panahi nicht selbst bedient, irgendwo im Raum fixiert – und dokumentiert die Diskussionen der beiden Freunde. Über Panahis früheren Filme – „Ayneh“ (1997), „Crimson Gold“ (2003), „Der Kreis“ (fd 35 022) –, vor allem aber über den Film, dessen Buch Panahi heimlich schrieb und den er wohl nie drehen wird. Er handelt von einer jungen Frau vom Land, die in Teheran studieren könnte, von ihren Eltern in der Woche, in welcher sie sich einschreiben müsste, aber zu Hause eingesperrt wird. In Feuereifer gerät Panahi, wenn er mit Klebeband in der Wohnung Drehorte markiert, bisweilen selbst in die Rolle der Schauspielerin schlüpft und Mirtahmasb den Film quasi pantomimisch vorführt. Plötzlich gerät er ins Stocken: „Was sollen wir denn noch Filme drehen, wenn wir Filme auch einfach erzählen können?“, fragt er. Leise nur klingt in dieser Frage Sarkasmus an. Zu erdrückend ist die Aussicht auf sechs Jahre Gefängnis und 20 Jahre Berufsverbot, wie sie das Urteil vom Dezember 2010 vorsieht. Doch noch hegt Panahi, wie zwei im Lauf des Tages geführte Telefonate andeuten, die Hoffnung, dass sich das Strafmaß bei einer Berufung reduzieren könnte. Aber man erfährt in „This Is Not a Film“ nicht, dass die Berufung abgelehnt wurde. So ist „This Is Not a Film“ ein Film über Panahi, seine Filme, das Filmdrehen im Allgemeinen und im Iran insbesondere. Ein Dokument, ein Hilferuf und ein Paradebeispiel dafür, wie man – mit Courage und der Hilfe von Freunden – einen Film drehen kann, wenn man keinen Film drehen darf.
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