Es ist das Drama einer arrangierten Ehe, wie man es aus zahlreichen Historienfilmen kennt. Als Caroline Mathilde von Großbritannien die Ehe mit dem dänischen König Christian VII. eingeht, kommt dies einer Haftstrafe unter privilegierten Bedingungen gleich; sogar ein Teil ihrer Bücher wandert in den Giftschrank. Diese und ähnliche Beobachtungen des politischen Klimas im voraufklärerischen Dänemark des 18. Jahrhunderts gehen vorerst nicht über Randbemerkungen hinaus; das private Leid Carolines steht in „Die Königin und der Leibarzt“ im Vordergrund – wie auch den privaten Beziehungen erheblich mehr Aufmerksamkeit gilt als den politischen Verhältnissen.
Schon die erste Begegnung des Königspaars – sie ist 15 Jahre alt, er gerade mal zwei Jahre älter – ist kaum mehr als ein schlechter Witz. So erschreckt Christian VII., der als psychisch labiler Kauz vorgestellt wird, seine Frau mit unberechenbaren Ausbrüchen: Mal sind es regressive Anwandlungen, die ihn zu verstörenden Kicheranfällen und albernen Ideen verleiten, mal ist es plumpes Machtgebaren, das ungefiltert aus ihm hervorbricht. Von Politik hat der König keinen blassen Schimmer; blind unterschreibt er die Beschlüsse des Kabinetts, das die Regierungsgeschäfte führt; er ist eine verhaltensauffällige Marionette, mehr nicht. Mit dem Auftritt seines neuen Leibarztes Johann Friedrich Struensee setzt sich das bestehende Machtgefüge jedoch in Bewegung. Struensee, der zum engsten Vertrauten des Königs wird, beginnt zunehmend, politischen Einfluss zu nehmen und den dänischen Staat im Sinn der Aufklärung zu reformieren. Aus der faktischen Entmachtung des Königs durch Struensee – er ringt ihm sogar eine Generalvollmacht ab – macht Regisseur Nikolaj Arcel ein für beide Seiten attraktives Tauschgeschäft; denn während der Leibarzt ein Dekret nach dem anderen erlässt – von der Abschaffung der Folter über die Gründung von Findelhäusern und Hospitälern bis zur Einführung der Pressefreiheit, die, Ironie der Geschichte, seine spätere, vom Volk mitgetragene Hinrichtung mitbefördert –, kann sich Christians Leidenschaft fürs Theater und exzentrische Rollenspiel endlich frei entfalten. So werden die Kabinettssitzungen für ihn zur idealen Bühne, auf der er sich als Schauspieler ungebremst entfalten kann.
Dass ausgerechnet der labile König zur interessantesten Figur eines Films gerät, der vordergründig von den Trieb- bzw. Gegenkräften der Aufklärung zu erzählen behauptet, spricht nicht gerade für ihn. Die Kabinettssitzungen sind in ihrer Komik dennoch so pointiert inszeniert, dass sie den Film avancierter aussehen lassen als er tatsächlich ist. Wiederholt stört Christian VII die Seriosität des politischen Tagesgeschäfts durch irritierende Überschreitungen, die sich als Ausdruck einer geisteskranken Disposition lesen lassen, aber auch als rebellische Gesten gegen das politische Protokoll und seine vorgeschriebene Rolle als Repräsentant des Staates. Dabei belässt es der Film nicht bei der Beschreibung von „Schauspieler“ und „Stückeschreiber“ und des Verhältnisses von Progression und etablierten Kräften. Das historisch verbürgte Liebesverhältnis zwischen Königin Caroline und Struensee nimmt einen Großteil ein, was freilich durch das laue Zusammenspiel der beiden Darsteller eher langweilt. Überhaupt gewinnt man den Eindruck, dass die Inszenierung alle Ansprüche gleichzeitig bedienen will: ein bisschen Politik und Ränkespiel, ein bisschen Leidenschaft und Liebe, ein bisschen Drama und Komödie, dazu Kulissen, Kostüme und ein opulenter Soundtrack – Geschichtsunterricht auf solidem Niveau, doch gänzlich ohne Ambition, das Historische an die Gegenwart anzubinden.
So locker der Film streckenweise auch inszeniert ist, steht er letztlich doch für einen unbefriedigenden Kompromiss: „Die Königin und der Leibarzt“ hat zwar weitaus Interessanteres als das auf reine Schauwerte ausgerichtete Kostümkino zu bieten, doch eine eigenständige, in irgendeine Richtung fokussierte Sicht auf die geschichtlichen Ereignisse bleibt aus.