Arirang - Bekenntnisse eines Filmemachers

Dokumentarfilm | Südkorea 2011 | 94 Minuten

Regie: Ki-duk Kim

Dokumentarischer Essayfilm, mit dem sich der koreanische Filmemacher Kim Ki-duk aus einer schweren Depression zu befreien versucht, in die ihn traumatische Erlebnisse bei den Dreharbeiten zu seinem Film "Dream" (2008) stürzten. Das tagebuchartige, während der dreijährigen Schaffenskrise entstandene Filmmaterial wird zur schonungslos-schmerzhaften Auseinandersetzung mit sich, seinen Träumen und Filmen sowie dem Wesen des Kinos. Dabei vermeidet die kunstvoll strukturierte Selbstreflexion stets die Falle eines naiven Authentizismus, dokumentiert vielmehr durch listige Brechungen die Widersprüchlichkeit des Ichs. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ARIRANG
Produktionsland
Südkorea
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Kim Ki-Duk Film
Regie
Ki-duk Kim
Buch
Ki-duk Kim
Kamera
Ki-duk Kim
Schnitt
Ki-duk Kim
Länge
94 Minuten
Kinostart
26.01.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Nur als Bonus-Disk in der BD-Special Edition von "Pieta" enthalten.

Verleih Blu-ray
Ascot Elite (16:9, 1.78:1, DD5.1 korea./dt.)
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Diskussion
Ein Paradox: Ein Film, der von der Unfähigkeit eines Regisseurs erzählt, weiterhin Filme zu machen. Doch was aus dieser Krise hervorgeht, ist ein Stück Autorenkino, wie es buchstäblicher kaum geht. Kim Ki-duk, der in seiner bisherigen Laufbahn mit geradezu manischem Eifer und einer enormen Produktionsgeschwindigkeit 15 Filme in 13 Jahren gedreht hat, vereint in „Arirang“ alle Aufgaben in einer Person: er ist Regisseur, Autor, Kameramann, Tonmann, Schnittmeister und Hauptdarsteller zugleich. „Arirang“ beginnt als Dokumentation. Man sieht einen leicht verwitterten Mann in einer primitiven Holzhütte hausen, beim Schnee schmelzen, Holz hacken, Kochen, wie er im Garten ein Loch gräbt, um darin seine Notdurft zu verrichten – Alltagsbeobachtungen, die um die elementarsten Bedürfnisse kreisen. Dabei setzt Kim Ki-duk die Härte seines Alltags mitunter sehr bewusst und wirkungsvoll in Szene, etwa wenn er mit seinen schrundigen, von der Kälte aufgerissenen Füßen in Großaufnahme vor die Kamera tritt oder wiederholt seine mönchischen Essensvorräte abfilmt. Bei diesem Leben unter extremen Bedingungen handelt es sich jedoch keineswegs um einen alternativen Entwurf nach thoreauschem Vorbild. Traumatisiert durch einen Unfall am Set von „Dream“, stürzte Kim in eine schwere Depression, die einen radikalen Bruch in seinem Leben wie auch in seiner Karriere auslöste. Seitdem (zum Zeitpunkt des Films sind es bereits drei Jahre) führt er ein Einsiedlerleben, abseits der Filmindustrie und anderer sozialer Kontakte. Nachdem der Film anfänglich noch eine gewisse Distanz zu seiner Hauptfigur bewahrt, wendet er sich bald zum tagebuchartigen, filmtherapeutischen Bekenntnis, wenn sich der Regisseur direkt der Kamera zuwendet und hemmungslos über seine Einsamkeit und seine Selbstzweifel spricht, aber auch über das Wesen des Filmemachens und seine Verantwortung als Regisseur, über sein Verhältnis zu Schauspielern, seine Rolle innerhalb des koreanischen Films, über seine Aufgabe im Leben. Immer wieder singt er „Arirang“, das beliebteste Volkslied Koreas, wie um sich selbst zu vergewissern, dass er noch immer existiert: „Mal geht’s bergauf. Mal geht’s bergab... So ist das Leben.“ Doch selbst in der größten Krise ist Kim viel zu sehr Filmemacher, um seine Verzweiflung formlos zum Ausdruck zu bringen oder gar in die Falle eines naiven Authentizismus zu tappen. „Kim Ki-duk, was machst Du? Warum kannst Du keine Filme machen, was ist Dein Problem?“, fragt er sich, als sei er in diesem Moment nicht mit sich selbst identisch, sondern ein anderer. Immer wieder „kreiert“ er verschobene Doppelgängerfiguren, weitere Kim Ki-duks, denen er im Gespräch gegenübertritt. In demselben Maß, wie er seine Aggression und Wut gegen andere richtet, gegen bequeme Schauspieler, seine ehemaligen Regieassistenten, die ihn verlassen haben, richtet er sie auch gegen sich selbst, wenn er sich etwa anlastet, nicht ebenso stark und entschieden zu sein wie die von ihm geschaffenen Filmfiguren. Immer wieder findet er Möglichkeiten, die Begegnung mit sich selbst filmisch umzusetzen, das Monologische seines narzisstischen Projekts aufzubrechen. So legt er die Tonspur seines Monologs über die Bilder seines ratlosen Gesichts, filmt sich beim Ansehen der Videoaufnahmen, die ihn weinend zeigen, geht zu sich selbst auf Distanz, verlacht sich und fragt: „Warum weint dieser Idiot?“, um später die Authentizität dieses Gefühlsausbruchs in Zweifel zu ziehen und die Möglichkeit einer dramatischen Inszenierung anzudeuten. Oder er filmt seinen Schatten, lässt ihn am Bildschirm seines Computers ein Gespräch mit sich führen und bedankt sich anschließend bei ihm für sein Interesse. Durch diese intelligenten Identitätserweiterungen, die nicht zuletzt die Vielheit und Widersprüchlichkeit eines jeden Ichs zu beschreiben versuchen, gerät „Arirang“ zu einer nicht aufzulösenden Konfrontation zwischen dem gegenwärtigen und dem vergangenen Kim Ki-duk, zwischen dem Filmemacher und dem Menschen, zwischen dem, der verzweifelt zurück will zum Filmemachen, nach Anerkennung strebt und abgetrennt von seiner künstlerischen Praxis ohne Identität ist, und einem anderen, für den das Leben in der Hütte zur Normalität geworden ist, der den Sinn der Kunst und des Spuren-Hinterlassens überhaupt in Frage stellt. Gegen Ende vollführt „Arirang“ noch einmal eine überraschende filmdramaturgische Drehung und wendet sich ins Spielfilmhafte. Andeutungen davon hatte es schon zuvor gegeben, etwa der Running Gag eines rätselhaften nächtlichen Klopfzeichens an der Tür, das sich auch nach dem wiederholten Nachsehen Kims nicht auflösen lässt. Doch nun befindet man sich tatsächlich in einem kleinen Rachestück. Kim verlässt seine Hütte, steigt mit einem Revolver bewaffnet in sein Auto, um seine Peiniger aus der Welt zu schaffen. Zumindest für eine gewisse Zeit muss dieses selbsttherapeutische Ritual erfolgreich gewirkt haben: Kim Ki-duks „Arirang“ ist trotz seiner auch strapaziösen Momente ein überaus beeindruckendes Zeugnis seiner unerschütterlichen Liebe zum Kino.
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