The Look - Charlotte Rampling

Dokumentarfilm | Deutschland/Frankreich 2011 | 97 Minuten

Regie: Angelina Maccarone

Dokumentarisches Porträt der englischen Schauspielerin Charlotte Rampling, die seit Jahrzehnten als nonkonformistische Darstellerin auf der Leinwand fasziniert, dabei aber stets auch ein wenig wie ein Fremdkörper wirkt. In neun Kapiteln und Begegnungen mit Weggefährten reflektiert sie vor der Kamera über das Leben sowie ihre Filme, streift Themen wie Alter, Schönheit, Liebe und Tod und behält dabei souverän stets das Heft in der Hand. Ein kluges, aufschlussreiches "Selbstporträt durch andere", das gerade durch seinen Verzicht auf Psychologisierung die Neugier für biografische Details weckt. (TV-Titel: "Charlotte Rampling - Ein Selbstporträt durch andere") - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE LOOK | THE LOOK, UN AUTOPORTRAIT À TRAVERS LES AUTRES
Produktionsland
Deutschland/Frankreich
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Prounen Film/Tag-Traum/Les Films d'Ici/ZDF/3sat/ARTE
Regie
Angelina Maccarone
Buch
Angelina Maccarone
Kamera
Bernd Meiners
Schnitt
Bettina Böhler
Länge
97 Minuten
Kinostart
20.10.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Piffl (16:9, 1.78:1 DD5.1 engl.)
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Diskussion
In Lars von Triers „Melancholia“ (fd 40 662) kann man Charlotte Rampling aktuell im Kino erleben, als hysterisch-boshafte Mutter der frischverheirateten Hauptfigur. Auch hier spielt dieser unverkennbare Zug um ihren Mund, den man je nach Perspektive als „überlegen“ oder „zynisch“ deuten kann. Distanz und Reserviertheit, die abweisende Geste, in der immer auch ein Moment von Selbstschutz liegt, zählen zu ihren Erkennungszeichen. Über diesen Eindruck reflektiert Rampling in „The Look“ von Angelina Maccarone gleich mehrfach. Vielleicht ist es einfach die schiere Intelligenz dieser nonkonformistischen Darstellerin, die auch ihre Leinwand-Persona bestimmt und dafür sorgt, dass Rampling in jeder Rolle zuallererst Charlotte Rampling ist und auf der Leinwand immer ein bisschen wie ein Fremdkörper wirkt: kühl, verführerisch, geheimnisvoll. Zu der besonderen Physiognomie kommt noch ihre überaus prägnante Stimme. All dies ruft Maccarone von der ersten Sekunde an in Erinnerung. Ihr Film beginnt in einem Fotostudio und zielt sofort aufs Ganze: Denn „The Look“ ist mindestens so sehr ein Film über Charlotte Rampling, wie er auch einer über das Schauspielerdasein generell ist. „Exposure“ heißt das erste Kapitel, in dem Rampling über das Ausgesetztsein vor der Kamera spricht. Darüber, wie es ist, vor 20 Menschen eine Nacktszene zu drehen oder stundenlang zu posieren und dabei Posen und Gesten im Sekundentakt zu wechseln. Währenddessen sieht man sie zusammen mit dem Fotografen und Freund Peter Lindbergh. Beide debattieren, sie sprechen über die Kunst des Aufgenommenwerdens. Rampling wird dabei fotografiert, doch dann dreht sie den Spieß um, und richtet die Kamera auf Lindbergh. Der Fotograf behauptet zumindest, dass er das zuvor noch nie getan hätte. Diese Konstellation ist witzig und insofern produktiv, als sie ungewöhnliche Äußerungen zutage fördert, und in all ihrem Charme deutlicher macht, als es Rampling lieb sein kann, wie gerne sie das Heft in der Hand behält und in ihrer Arbeit Subjekt ist, nicht Objekt. Diese Sequenz ist eine der stärksten in einem Film, der in Gestalt allenfalls lose verbundener Sequenzen verschiedenster Länge erzählt ist, in denen Rampling jeweils andere, zumeist berühmte Personen trifft, mit denen sie neben der Arbeitsbeziehung auch eine persönliche Freundschaft verbindet. Die Gliederung folgt Themen wie „Resonanz“, „Tabu“, „Liebe“, „Tod“, etc., begleitet und unterbrochen durch Ausschnitte aus Ramplings Kinofilmen. Die verschiedenen Begegnungen wirken als Katalysator, durch den jeweils neue Seite von Ramplings Persönlichkeit zutage gefördert werden. Rampling trifft ihren Sohn, den Darsteller Barnaby Southcombe, die Productiondesignerin Franckie Diago, den Fotograf Jürgen Teller, den Autor Paul Auster, woraus Stück für Stück ein „Selbstporträt durch andere“ entsteht, wie Maccarone ihren Film beschreibt. Mit „The Look“ begibt sich die 1965 geborene Berlinerin erstmals auf das Terrain des Dokumentarfilms. Bekannt geworden war sie mit Spielfilmen: „Fremde Haut“ (fd 37 290), „Verfolgt“ (fd 37 966) und „Vivere“ (fd 38 373). Außerdem stammen drei „Tatort“-Folgen von ihr. Das, was „The Look“ mit ihrem übrigem Werk verbindet, ist das Interesse für weibliche Hauptfiguren und das „Frau-Sein“ als solches. Ein wohltuendes Schweben, eine vage Doppeldeutigkeit zeichnet schon den Titel aus: „The Look“ kann den „Blick“ bedeuten, genauso wie das „Aussehen“. Diese Vagheit mag durchaus Ramplings Vorsicht und ihrem offenkundigen Kontrollbedürfnis geschuldet sein, das offenbar auf die Entstehung und Gestalt des Films beeinflusst hat. Dass es den Film überhaupt gibt, ist bereits ein Erfolg, denn bei aller Reserviertheit präsentiert der Film auch eine charmante, witzige Charlotte Rampling. Für die konventionellen Stationen der Biografie interessiert sich Maccarone kaum, ebenso wenig fürs Psychologisieren und boulevardeske Anklänge. Dabei hätten sich für ihre Ehe mit dem französischen Komponisten Jean-Michel Jarre gewiss nicht nur die Leser bunter Celebrity-Blätter interessiert. Gerne hätte man auch etwa erfahren, wie sie als Britin in Frankreich arbeitet und auf welche Weise diese Außenseiterposition ihre Arbeit beeinflusst. Am stärksten drängt sich jedoch die Frage auf, woher jener Kontrollzwang und die grundsätzliche Verschlossenheit Ramplings eigentlich rührt? Wäre dies wirklich nur der normale Selbstschutz einer Darstellerin, würde man ihm auch bei anderen Darstellern begegnen. So kommt der Zuschauer gerade durch die Abwesenheit alles Psychologischen ins Psychologisieren und auf neugierige Nachfragen nach biografischen Details. Einer der wenigen Momente, der das Dunkel kurz lichtet, ist ein Ausschnitt aus Liliana Cavanis „Der Nachtportier“ (fd 19 159) – einer ihrer wichtigsten, aber auch riskantesten Filme. Hier erzählt sie, wie sie sich ganz auf ihren Partner Dirk Bogarde verließ, und spricht vom Vertrauen in ihre Instinkt. In diesem Zusammenhang wird auch einer der bittersten Momente in Ramplings Leben erwähnt: Der Selbstmord ihrer Schwester. Vielleicht war es diese Arbeit über die Macht der Blicke und die Ohnmacht des Ausgesetztseins, die ihr dieses Selbstbewusstsein gab. Rampling kann über den Celebrity-Wahnsinn spotten und über sich sagen, sie sei „ein Monster“. Es wird ihr nicht schaden, im Gegenteil.
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