Eine behütete Kindheit und Jugend hat Drew Barrymore nicht gekannt. Als sie sieben Jahre alt war, machte „E.T.“
(fd 23 743) sie zum Star, es folgten weitere Filmrollen sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch in viel zu jungen Jahren, bis sie sich mit 13 der ersten Entziehungskur unterwarf. Nun, als etablierte Schauspielerin und Produzentin, hat sie im Alter von 35 Jahren erstmals einen Film selbst inszeniert und erzählt darin von einer Welt, die ihr eigentlich vollkommen fremd sein sollte: einem Teenager-Dasein in der texanischen Provinz, mit fürsorglichen Eltern, die eine intakte Ehe und ein geregeltes Arbeitsleben führen, ohne Sorgen jenseits des High-School-Geländes. Dennoch liegt der Gedanke nicht fern, dass sich Drew Barrymore in der Heldin selbst erkannt hat: Denn so wie sie seinerzeit keine andere Wahl hatte, als ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen, so befindet sich die 17-jährige Bliss an einem Punkt, an dem sie entscheiden muss, ob und wie sie ihren eigenen Weg gehen will.
Sie ist gleich zu Beginn nicht mehr mit Leib und Seele am Start, wenn sie ihrer Mutter zum Gefallen bei Schönheitswettbewerben antritt. Sie stellt ihr Leben in Frage, pflegt eine dezente Punk-Attitüde, weiß aber letztlich nicht, was sie wirklich will. Bis sie Roller-Derby für sich entdeckt, eine derbe Sportart, bei der konkurrierende Teams von Rollschuhläufern auf einem Rundkurs versuchen, einander zu blockieren. Sie absolviert ein erstes Probetraining in Austin, wird in eine Mannschaft aufgenommen und setzt damit eine Kette von Ereignissen in Gang, die die Mechanismen des Sportfilms und des Coming-of-Age-Dramas geschickt miteinander kombiniert. Oder, weniger wohlwollend ausgedrückt: Wer die jeweiligen Genre-Schablonen kennt, kann den Verlauf der Handlung weitgehend vorhersagen. Bliss’ Mannschaft, in der sie unter dem Pseudonym „Babe Ruthless“ spielt, bleibt zunächst ohne Sieg, steigt dann aber, angetrieben von ihren Leistungen, kometenhaft auf, erlebt einen herben Rückschlag, der alles Erreichte in Frage stellt, und tritt schließlich zum großen Finale an. Parallel dazu verläuft Bliss’ persönlicher Reifeprozess entlang vertrauter Stationen: Der Euphorie über die neue Identität und die erste große Liebe folgen der Schmerz der Enttäuschung, der zeitweilige Rückzug auf vertrautes Gebiet und schließlich die Erkenntnis, dass nur der sein Glück findet, der seinen eigenen Weg ungeachtet der Erwartungen und Wünsche anderer geht.
Erstaunlicherweise hat man trotzdem nie das Gefühl, alles schon einmal gesehen zu haben, da Drew Barrymore ihr Augenmerk konsequent auf die Figuren richtet und ihnen ausreichend individuelles Antlitz verleiht, um die Konventionen des Drehbuchs in Vergessenheit geraten zu lassen. Bliss’ Familie, ihre Mitstreiterinnen, ihr Freund, ihre Freundin – ihnen allen gewährt der Film Raum zur Entwicklung, keiner von ihnen wird auf rein funktionalen Charakter reduziert. Dies impliziert, dass die Figuren bis zuletzt unberechenbar bleiben und immer wieder neue Blickwinkel eröffnen. Das gilt insbesondere für Bliss’ Eltern sowie für ihre größte Rivalin Iron Maven, jene Personen, mit denen die Heldin die zentralen Konflikte austrägt. Auch wenn die Sympathien des Films eindeutig Bliss gelten, denunziert er keine der Figuren und gewährt ihnen allen eine grundsätzlich gleichberechtigte Perspektive: Bliss mag in ihrer Mutter zeitweise nur die ewig Gestrige sehen, deren Wertekanon seit den 1950er-Jahren nicht aktualisiert worden ist, aber als Zuschauer weiß man, dass sie nicht blind für die Gegenwart und ihre Liebe für ihre Tochter jederzeit aufrichtig ist. Ebenso wenig reduziert sich Iron Maven, so ruppig sie sich im Wettkampf auch verhält, auf den Feind, den es zu schlagen gilt. Sie ist vielmehr eine Frau, die ihren Sport mit Leidenschaft betreibt, aber weiß, dass sie den Vorteil der Jugend nicht mehr auf ihrer Seite hat.
Wenn Bliss am Ende ihren eigenen Weg einschlägt, dann erstrahlt ihre Zukunft nicht im Glanz sicheren Erfolgs. Die Versprechen, die das Leben für sie bereithält, scheinen vage. Allein, dass sie stark genug ist, ihrem inneren Kompass zu folgen, macht das eigentliche Happy End aus. Drew Barrymore feiert es ohne großen emotionalen Effekt. Auch wenn ihre Karriere als Darstellerin und Produzentin stets dem Studio-System verpflichtet war, erinnert ihr Regiedebüt eher an klassisches Independent-Kino: Sie hat Bilder und Töne gefunden, die nie die Aufmerksamkeit auf sich selbst lenken, sondern ein Bild vom texanischen Kleinstadtleben zeichnen, das einem das Gefühl gibt, dass Amerika ein realer Ort mit realen Menschen ist.