Zum Zeitpunkt seiner Premiere im Jahr 1982 war „E.T. – Der Außerirdische“ (fd 23 743) einer der Filme des Jahres. Binnen kürzester Zeit war klar, dass Steven Spielberg nicht nur einer der größten Kassenerfolge aller Zeiten gelungen war; sein mythisches, von den zeitlosen Themen Suche, Flucht, Rettung und untergründigen Sexualmetaphern erfülltes Science-Fiction-Märchen berührte die Herzen der Erwachsenen und – mehr noch – der jungen Zuschauer. Jetzt kommt der Film anlässlich seines 20-jährigen Jubiläums als „20th Anniversary Edition“ wieder ins Kino. Die Fassung ist nicht nur, wie heute bei vielen Restaurationen und Neufassungen üblich, dem Tonstandard der Gegenwart angepasst, sie wurde auch um einige digitale Effekte erweitert – vor allem, um die Wirkung der Mimik des kleinen Außerirdischen, der Verfolgungsjagden im Wald und der weltberühmten Szene mit dem fliegenden Fahrrad zu verbessern. Des Weiteren wurden kleinere Szenen hinzugefügt, dafür aber die Waffen bei den Jägern E.T.’s wegretuschiert bzw. durch Mobiltelefone ersetzt – ohne dass der Film jedoch als „Director’s Cut“ bezeichnet würde. Die künstlerische Moral eines derartigen Vorgehens ist ein Kapitel für sich. Als ob Film ein „work in progress“ wäre, gibt sich Spielberg mit der Neufassung als Unvollendeter, der sein Werk nicht loslassen mag und damit auch an der eigenen Unsterblichkeit arbeitet. Begegnet man dem Film heute wieder, ist die Erfahrung zwiespältig. Deutlich fällt auf, wie sehr der Film dem klassischen Hollywood-Schema eines Buddy-Movies folgt: Freund trifft Freund, verliert Freund, gewinnt Freund zurück. Erzählt wird zum größten Teil aus der Kinderperspektive, und das wortwörtlich: Die Kamera bewegt sich auf Augenhöhe eines Achtjährigen, erfasst die Welt über weite Strecken mit subjektivem Blick, mal neugierig, aber auch ängstlich forschend wie der kleine Alien, mal vertraut wie Elliott. Dies ist kaum mit einem Zugeständnis an die Kernzielgruppe der Sechs- bis Zwölfjährigen zu erklären, vielmehr dient die Kameraführung dazu, auch den erwachsenen Zuschauer wieder in ein Kind zurückzuverwandeln. Man kann „E.T.“ heute nicht sehen, ohne daran zu denken, was sich seit damals in Hollywood und in der Welt geändert hat. Als „E.T.“ ins Kino kam, musste man ihn vor allem als „Beruhigungsfilm“ verstehen, als symbolische Beendigung der Ära der politischen und sozialen Revolte, als Symptom einer reaktionären Rückwendung zum rein Privaten, als Mythos der Heimkehr verlorener Söhne. So, wie Spielberg mit „Der weiße Hai“ (fd 19 584) eine Metapher auf den Vietnam-Krieg schuf, auf Männer, die ausziehen, das Fürchten zu lernen, geht es nun um einen kleinen, bezeichnenderweise vaterlosen Jungen, der das Fürchten längst gelernt hat. Das Fremde ist hier kein Feind, keine Bedrohung; im Gegenteil: der Außerirdische mit seinen großen Augen wirkt als Körper gewordenes Kindchenschema. Wenn „E.T.“ überdies noch mit gütigem Wesen und ohne alles Bedrohungspotenzial, vielmehr selbst schutzbedürftig und als ultimative Niedlichkeit gezeigt wird, nimmt der Film durchaus Partei für die humanen Werte einer Achtung vor dem Fremden, des Verstehens des Anderen, der Einfühlung. Hierin mag man ihn als das Gegenstück zu dem nur ein Jahr vorher gestarteten Publikumserfolg „Alien“ (fd 22 236) erkennen, in dem das Fremde als das schlechthin Anderes, als gewalttätig und mordlüstern gezeigt wird, womit eine Möglichkeit der Verständigung von vornherein ausgeschlossen ist. Andererseits muss auch der putzige „E.T.“ am Filmende wieder aus den USA verschwinden. In Elliotts Heim ist kein Platz für ihn, die Menschenmutter darf keine Ersatzmutter werden, und Elliotts Schwester Gertie nicht seine Freundin. Wenn „E.T.“ unter Heimweh leidet und sich nach der Mutter sehnt, vor allem aber wenn er schließlich im Schoß des Raumschiffs und damit in seiner eigenen Welt verschwindet, gibt Spielberg dem Amerika der beginnenden Präsidentschaft Ronald Reagans zu verstehen, dass es doch ebenfalls bei seinen Leisten bleiben, beziehungsweise zu ihnen zurückfinden sollte. Danach kamen die Yuppie-Ära und das Ende des Kalten Krieges, der Aufstieg und Fall der New Economy und der 11. September 2001. Ob nun die Wiederaufführung von „E.T.“ als neuerlicher Quietismus zu verstehen ist oder als nostalgische Rückkehr in eine Zeit der Unschuld und Unbefangenheit, als zeitgemäßes Plädoyer gegen plumpe Fremdenfeindlichkeit oder als subtile Entfernung und Verkindlichung des Fremden, das wird davon abhängen, welchem dieser im Film allesamt vorhandenen Aspekte man den Vorzug gibt. Dass „E.T.“ auch nach 20 Jahren noch dieses Nachdenken auszulösen vermag und der zeitlichen Distanz standhält, ist nicht der geringste Verdienst von Spielbergs Werk.