Ein Travestie-Star, körperlich krank, innerlich zerrissen, ob er/sie eine Geschlechtsumwandlung vornehmen soll, und beruflich auf dem absteigenden Ast, kämpft gegen den eigenen Untergang an. Der Film entwirft das Porträt eines Menschen, der abseits normierter sexueller und sozialer Normen mit seiner Abhängigkeit von individuellen wie gesellschaftlichen Zwängen sowie der Hinfälligkeit seines Körpers kämpft. Dabei verdichtet er sich zu einer in lyrischem Rhythmus erzählten, mit Verfremdungen, Irritationen und ins Surreale spielenden Etüde zwischen Realismus und Märchen, Melodram und Tragödie. (O.m.d.U.)
To Die Like A Man
Drama | Portugal/Frankreich 2009 | 128 Minuten
Regie: João Pedro Rodrigues
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Filmdaten
- Originaltitel
- MORRER COMO UM HOMEM | MOURIR COMME UN HOMME
- Produktionsland
- Portugal/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- Rosa Filmes/Ad Vitam Prod.
- Regie
- João Pedro Rodrigues
- Buch
- João Pedro Rodrigues · Rui Catalão · João Rui Guerra da Mata
- Kamera
- Rui Poças
- Schnitt
- Rui Mourão · João Pedro Rodrigues
- Darsteller
- Fernando Santos (Tonia) · Alexander David (Rosário) · Chandra Malatitch (Zé Maria) · Jenny Larrue (Jenny) · Cindy Scrash (Irene)
- Länge
- 128 Minuten
- Kinostart
- 03.02.2011
- Fsk
- ab 16; f
- Genre
- Drama
- Externe Links
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Heimkino
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„Oh, wie gerne würde ich in der Mehrzahl leben ... Ich möchte Viele sein“, heißt es an einer Stelle in der von Tonia gesungenen Fado – eine glühend, aber gänzlich unwehleidig zum Ausdruck gebrachte Sehnsuchtsmelodie, die im Leben der alternden Drag Queen nicht Wirklichkeit werden kann. Ihr junger Liebhaber Rosário, mit dem sie in einem komplizierten Abhängigkeitsverhältnis verstrickt ist, das in seiner schmerzhaft sezierenden Darstellung an Fassbinder erinnert, möchte, dass aus ihr endlich eine „richtige Frau“ wird. Doch Antonia, die früher Antonio hieß und sich mit Hilfe von Hormonen und plastischer Chirurgie fast vollständig in ihre Bühnenfigur verwandelt hat, kann sich zu dem allerletzten Schritt nicht durchringen. Während ihr Arzt über die Geschlechtsumwandlung spricht, als handle es sich dabei lediglich um „das Filettieren eines Steaks“, fürchtet Tonia, ein Verbrechen gegen Gott zu begehen. Sie ist in einem einsamen, mitunter quälenden Zwischenzustand gefangen, den sie erst am Ende des Films, der Titel deutet es an, aufzugeben bereit ist.
Der portugiesische Regisseur João Pedro Rodrigues erzählt in seinem dritten Spielfilm die Geschichte eines langsamen Abschieds. Es ist, als würde sich die vormals schillernde Figur „Tonia“ allmählich, aber unaufhaltsam auflösen. Denn Tonia ist krank; ihr Körper verbraucht seine gesamte Energie, um die Silikonimplantate abzuwehren, die sich buchstäblich einen Weg nach draußen suchen. Auch ihre Karriere als Travestie-Star des Lissaboner Nachtlebens geht dem Ende entgegen. Eine imposante Konkurrentin versucht, ihr die Position als einzige Blondine des Clubs streitig zu machen; die Gemeinschaft ihrer Anhängerschaft droht zu schwinden. Außerdem taucht Zé Maria, ihr „verlorener“ Sohn aus einer heterosexuellen Beziehung, überraschend wieder auf und schleudert ihr seine Ablehnung umso heftiger entgegen.
Anfangs verläuft die in meist gedehnten Einstellungen gefilmte Erzählung in wiederkehrenden Bewegungen, tritt sogar absichtsvoll etwas auf der Stelle. Als sich der Junkie Rosário mit dem Fernseher und anderen Habseligkeiten seiner Geliebten davon macht, ist es offensichtlich nicht das erste Mal. Das anschließende Szenario – Tonia sucht mitten in der Nacht nach ihm, findet ihn zitternd auf der Straße und richtet ihn wieder auf – wirkt in seiner verzweifelten Dramatik dennoch eine Spur zu müde und routiniert. Doch dann kommt die Geschichte von Tonia auf märchenhafte Weise von ihrem festgefahrenen Weg ab: Bei einem Ausflug strandet sie mit Rosário in einem verborgenen Haus mitten im Wald. Abgeschieden von der Außenwelt performt dort der glamouröse Transvestit Maria Bakker ein geradezu bühnenreifes Leben der großen Gesten und flamboyanten Auftritte – angefangen von abendlichem Gesang über elegantes Rauchen bis hin zu aufgebauschten Ansagen und dem expressiven Rezitieren von Paul-Celan-Gedichten.
Zu später Stunde führt Maria Bakker ihre Gäste auf eine Schnepfenjagd bei Vollmond, bei der sich die nächtliche Wandergesellschaft zum Tableau Vivant formiert. Während sich das Bild rot färbt und ein leicht wehmütiger Song erklingt, verharren die Figuren andächtig auf ihren Positionen – um der Musik zu lauschen oder vielleicht auch nur, um ein bisschen Luft zu holen für das sich ankündigende Ende. Es ist eine wunderbar surreale Szene in einem Leben, in dem sich die Realität mitunter als sehr ungnädig erweist. Dabei ist der Film die ganze Zeit über von konventionellen Wirklichkeitsvorstellungen meilenweit entfernt. Die Figuren agieren in einem stilisierten, räumlich begrenzten Setting, das von der Außenwelt regelrecht abgeschnitten wirkt und dem Geschehen etwas Kammerspielartiges, Hyper-Intimes verleiht. Die Inszenierung verzichtet denn auch konsequenterweise ganz auf die Bühnenauftritte der Drag-Show.
„In fertigen Schablonen kann ich mich nicht formen“, singt Tonia einmal selbst versunken auf einem Friedhof. Immer wieder gibt es das Anhalten der Erzählung durch Musik oder abrupte Brüche in Gestalt überraschender Szenenwechsel sowie angedeutete Enden, die sich dann aber doch nur als kurzes Innehalten entpuppen. Den dramaturgischen Bewegungen, den Verfremdungen und Irritationen ist anfangs nicht immer leicht zu folgen, doch wenn man sich der flanierenden Erzählung einmal anvertraut hat, wird man in ihren lyrischen Rhythmus hineingezogen. „To Die Like a Man“ verbindet auf ungewöhnliche Weise Realismus und Märchen, Melodram und Tragödie, emotionale Intensität und distanzierte Betrachtung. Tonia weiß um ihre hoffnungslose Abhängigkeit von individuellen bzw. gesellschaftlichen Zwängen und um ihre Machtlosigkeit gegenüber den Rebellionen des Körpers. Sie leidet darunter und begegnet ihnen dennoch mit einer stoischen Tapferkeit, die im finalen Gesang der Fado zu einer entrückt-divenhaften Größe anwächst.
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