Horror | USA 2010 | 110 Minuten

Regie: Darren Aronofsky

Tschaikowskis Ballett "Schwanensee" wird zum Auslöser für die Geschichte einer jungen, zerbrechlichen Tänzerin, deren ungeweckte Sexualität von einem herrschsüchtigen Impresario brutal dazu genutzt wird, sie für die schwierige Doppelrolle des Balletts zu präparieren. Dies mündet in eine selbstzerstörerische Metamorphose der verletzlichen Hauptfigur. Der zwischen Psychodrama und Genre changierende Film wirft alle Grenzen der Konvention über Bord, wobei sich traditionelle Kunst und Horror-Trash zu einem hemmungslos-drastischen, nicht immer geschmackvollen, stets aber effektsicheren Amalgam von hoher Dramatik verbinden. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BLACK SWAN
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Protozoa Pic./Phoenix Pic.
Regie
Darren Aronofsky
Buch
Mark Heyman · Andres Heinz · John J. McLaughlin
Kamera
Matthew Libatique
Musik
Clint Mansell
Schnitt
Kristina Boden · Andrew Weisblum
Darsteller
Natalie Portman (Nina) · Vincent Cassel (Thomas Leroy) · Mila Kunis (Lily) · Barbara Hershey (Erica) · Winona Ryder (Beth)
Länge
110 Minuten
Kinostart
20.01.2011
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Horror | Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Standardausgabe (DVD) enthält keine erwähnenswerten Extras. Die Extras der weit umfangreicheren DVD/BD-Edition (in einer Verpackung) und auch die Einzel BD umfassen u.a. eine dreiteilige Dokumentation "Die Entstehung von "Black Swan"" (49 Min.). Die BD enthält eine Audiodeskription für Sehbehinderte, allerdings nur in englischer Sprache. Die sog. "Limited Black Edition" (3 Disk) enthält die DVD, die BD und den Soundtrack auf separater CD.

Verleih DVD
Fox (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Fox (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl., dts dt.)
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Diskussion
Wer bei Darren Aronofskys Film, in dem es um Ballett geht, und zwar um Tschaikowskis unverwüstlichen „Schwanensee“, in Erwartung bezaubernder Choreografien und Pirouetten zum Kino eilt, macht besser noch vor der Kasse kehrt, denn seine Wünsche würden nicht befriedigt werden. Amerikanische Kritiker haben über „Black Swan“ als ein Begleitstück zu Aronofskys Film „The Wrestler“ (fd 39 162) gesprochen. Sie haben insofern Recht, als „Black Swan“ in der Tat mehr von der Agonie seiner Hauptfigur handelt als vom Ausdruck und der Schönheit des Tanzes, ganz so, wie auch „The Wrestler“ den Kampf gegen die Widrigkeiten und destruktiven Elemente des eigenen Ichs mehr in den Vordergrund rückte als den Sport. Kein Film, dessen Handlung sich um großes Ballett zentriert, könnte von einem „Ballettfilm“ weiter entfernt sein als „Black Swan“, der mehr mit „Pi“ (fd 33 608) und „Requiem for a Dream“ (fd 35 117) gemein hat als mit Tschaikowski. Im Mittelpunkt steht Nina, eine junge, vom Ehrgeiz ihrer Mutter angetriebene Tänzerin, für die im Leben nichts wichtiger ist, als im berühmten Lincoln Center in New York die Doppelrolle des Weißen und des Schwarzen Schwans in Tschaikowskis Ballett zu tanzen. Die Truppe, der sie angehört, wird von einem autokratischen Impresario geleitet, der die frühere Primaballerina entlässt, um Platz für eine neue zu schaffen. In Nina sieht er die Idealbesetzung des unschuldigen, bezaubernden Weißen Schwans, aber dem bösen Schwarzen Schwan ist sie nicht gewachsen. Wie einst Lermontov in Powells & Pressburgers klassischem Ballettfilm „The Red Shoes“ (fd 24 623) setzt er deshalb die ganze Macht seiner Persönlichkeit ein, um Nina so zu manipulieren, dass sie auch diese Rolle ausfüllen kann. Dabei bedient er sich vor allem sexueller Manipulationen, die an Brutalität grenzen. Das löst in Nina, dem zerbrechlichen, ohnehin stets am Rand einer neuen Psychose stehenden ätherischen Wesen, Episoden der Selbstverletzung und der Halluzination aus, vor allem, als eine Rivalin ihre bis zur Selbstverleugnung unterdrückte Sexualität zu wecken versteht. Nina erhält die begehrte Doppelrolle – und tanzt sich in den Abgrund. Auf ihre Grundlinien reduziert, ist das nichts anderes als die konventionelle Geschichte von der verletzlichen Tänzerin und dem herrschsüchtigen Impresario. Doch Aronofsky hat sein Möglichstes getan, um das bekannte Sujet in eine phantasmagorische Freak-Show zu verwandeln, die nicht nur die Figuren, sondern auch das Umfeld des klassischen Balletts bis an die Grenze zum Grand-Guignol demontiert. Dabei dient das Doppelgänger-Motiv des zugrunde liegenden Balletts als Mittel zur Kreation immer neuer Verdoppelungen, Spiegelbilder und Wahnvorstellungen, die das zarte, unerweckte Wesen in ihrem Zentrum in ein selbstzerstörerisches Monster verwandeln. Nina beginnt sich nachts den Rücken zu zerkratzen; ihre Zehen und Fingerkuppen bluten; eines Tages löst sie die Haut von ihrem Finger wie die Schale von einer Banane ab; Messer, Glassplitter und gebrochene Beine werden zu Symbolen ihrer inneren Zerrissenheit. Doch das Drama von dem sich selbst zerfleischenden Künstler entwirft Aronofsky nicht als große Tragödie, sondern als zunehmend halluzinatorische Variante seines Kinos der schmerzhaften Selbstanalyse, das er von Film zu Film in immer anderen Milieus und immer schwerer zu ertragenden Ausprägungen variiert. Unterstützt von seinem Kameramann Matthew Libatique, hat Aronofsky inzwischen einen Stil perfektioniert, der den Zuschauer dazu verurteilt, der Hauptfigur auf Schritt und Tritt zu folgen, wohin auch immer deren Weg führt. Mit der Handkamera und nur selten die Großeinstellung verlassend, fesselt er den Kinobesucher förmlich an Nina und zwingt ihn zu einer Art Komplizenschaft, aus der heraus die selbstzerstörerische Metamorphose des „letzten Akts“ umso qualvoller empfunden werden muss. Wenn Tschaikowskis Musik zum Schluss in voller Lautstärke ertönt, klingt sie wie die Begleitmusik zu einem Horrorfilm. „Black Swan“ ist ein Film, der dem Psychodrama gestattet, alle Grenzen der Konvention über Bord zu werfen. Traditionelle Kunst und Horror-Trash werden zu einem drastischen – und oft die Grenzen der Komik streifenden – Amalgam von hoher Dramatik, nicht immer geschmackvoll (eine Vokabel, die Aronofsky nicht zu kennen scheint) und gewiss nicht für schreckhafte oder leicht zu schockierende Zuschauer, aber ganz auf der Höhe eines hemmungslosen Exploitation Movie. Man kann gespannt sein, in welche Abgründe der nächste Aronofsky-Film führen wird.
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