Drama | Schweiz 2010 | 93 Minuten

Regie: Mike Schaerer

Fünf Jugendliche auf einer Krebsstation eines Schweizer Krankenhauses warten und hoffen auf eine bessere Zukunft, wobei keiner der Jungen gewillt ist, sich von Rückschlägen den (Lebens-)Mut nehmen zu lassen. Ein sehr intensiv und überzeugend gespielter Film nach einem autobiografisch gefärbten Theaterstück, der sein Thema mit dem nötigen Ernst behandelt, ohne bleischwer zu sein. Der Film erzählt nicht nur vom Kampf gegen den Tod, sondern plädiert für ein bewusstes Leben. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
STATIONSPIRATEN
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Zodiac Pic. International/Schweizer Fernsehen/Impuls Home Ent./Teleclub
Regie
Mike Schaerer
Buch
Jürgen Ladenburger
Kamera
Stéphane Kuthy
Musik
Moritz Schneider · Adrian Sieber
Schnitt
Florian Drechsler
Darsteller
Scherwin Amini (Kevin) · Vincent Furrer (Benji) · Max Hubacher (Michi) · Nicolas Hugentobler (Sascha) · Stefan Kurt (Dr. Reichlin)
Länge
93 Minuten
Kinostart
17.01.2012
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
„Ins Kino gegangen. Geweint“, schrieb Franz Kafka 1913 in sein Tagebuch. Ähnlich dürfte es den Zuschauern ergangen sein, die „Stationspiraten“ beim Zurich Film Festival den Publikumspreis zusprachen: Der erste lange Spielfilm von Mike Schaerer ist das seit Jahren „emotionalste“ Leinwandstück made in Switzerland. Anders gesagt: Schaerers Film geht unter die Haut und drückt auf die Tränendrüsen. Aber nicht herzschmusig-kitschig, sondern lebensnah-echt. Von Krebs ist darin die Rede. Und von fünf Jungs zwischen zehn und 16 Jahren, die daran erkrankt sind. Anstoß zu „Stationspiraten“ gab Antonio Merceros Film „Planta 4a“ (2003), dem wiederum das autobiografische Theaterstück „Los pelones“ von Antonio Mercero zu Grunde liegt, der einen Teil seiner Kindheit im Krankenhaus verbrachte. Was aber nicht heißt, dass „Stationspiraten“ kein Schweizer Film ist. Im Gegenteil: Der zehnjährige Jonas, dessen Augen hell aufleuchten, wenn er vom Fliegen erzählt, der 13-jährige Benji, der mit frechem Mundwerk vor allem die eigene Angst in den Boden redet, Michi, der ungeduldig auf seine Beinprothese wartet, aber heimlich weiter trainiert, um den Anschluss an sein Fußballteam nicht zu verlieren, und der 16-jährige Kevin, der seinem Leben manchmal kaum mehr etwas Gutes abgewinnen kann, aber gerade durch seine Melancholie die Aufmerksamkeit der gleichaltrigen Laura erweckt: Das sind Jungs, wie man sie heute in jedem Schweizer Schulzimmer entdeckt. Ganz zu schweigen von Sascha, den ein Schatten auf einem Röntgenbild vorübergehend ins Krankenhaus bringt, ansonsten aber fantastisch Tennis spielt und – verkörpert von Nicolas Hugentobler – Roger Federer verblüffend ähnlich sieht. „Stationspiraten“ schildert wenig mehr als einige Tage aus dem Leben der Protagonisten. Doch der Film tut dies intensiv, mit bewegter Kamera hautnah dran. In den heiteren Momenten, in denen die Protagonisten unbeschwert Tischtennis spielen, herumalbern, Rollstuhlrennen veranstalten oder – schwarze Sonnenbrillen, nackte Oberkörper – sich cool im Liegestuhl fläzen. Er tut es aber auch, wenn sich einer der Jungs nach der Chemotherapie übergeben muss. Wenn der Arzt Unangenehmes verkündet, ein Physiotherapeut erklärt, dass Beinprothese und Nationalelf nicht zusammenpassen und Kevin mutterseelenallein auf dem Spitaldach sitzt. Das alles geht ans Herz. Und dies vor allem, weil Scherwin Amini, Vincent Furrer, Max Hubacher, drei der jugendlichen Hauptdarsteller, in ihren Rollstühlen hocken, als ob sie da schon immer drin gesessen hätten, und dabei besser spielen als mancher Profi. Und weil Elia Robert, auch wenn der von ihm gespielte Jonas nach 20 Minuten für immer verschwindet, so glänzende Kinderaugen hat, dass man ihm jeden Wunsch erfüllen möchte. Und weil neben der Rasselbande, die schon mal einen Röntgenapparat für ein Gruppenfoto bemüht, die wenigen Erwachsenen – Stefan Kurt als Doktor, Bettina Stucky als Pflegerin, Antoine Monot jr. als Haustechniker – sich dezent zurückhalten. „Stationspiraten“ ist ein packendes, mal lustiges, mal todtristes Jugenddrama. Wie der vor Drehbeginn unverhofft verstorbene Autor Jürgen Ladenburger (1955–2009) feststellte: Keine Geschichte über den Kampf gegen den Tod, sondern eine vom bewussten Leben. Und als solche ein starkes Stück.
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