Ondine - Das Mädchen aus dem Meer

Drama | Irland/USA 2009 | 103 Minuten

Regie: Neil Jordan

Ein einsamer Fischer zieht eine schöne junge Frau aus dem Meer, die ihm neuen Lebensmut schenkt und die Fantasie seiner schwer kranken, im Rollstuhl sitzenden Tochter anregt. Märchenhaftes, in den Hauptrollen hervorragend gespieltes und atemberaubend fotografiertes Drama, das Mythen der deutschen Romantik mit der irischen Sagenwelt zu einer überlebensgroßen Liebesgeschichte verbindet. Die angedeutete Krimihandlung dient dabei nur als dramaturgischer Umweg auf dem Weg zum Happy End. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
ONDINE
Produktionsland
Irland/USA
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Wayfare Ent./Octagon Films/Little Wave Prod./Radio Telefís Éireann
Regie
Neil Jordan
Buch
Neil Jordan
Kamera
Christopher Doyle
Musik
Kjartan Sveinsson
Schnitt
Tony Lawson
Darsteller
Colin Farrell (Syracuse) · Alicja Bachleda-Curus (Ondine) · Alison Barry (Annie) · Stephen Rea (Priester) · Dervla Kirwan (Maura)
Länge
103 Minuten
Kinostart
21.10.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
Die Frau als Wassernixe – ein mythisches Wesen zwischen den Elementen, zwischen Geist und Mensch, eine Projektionsfläche für die Sehnsucht des Mannes, eine Wunschfantasie. Der Mythos der Undine geht auf Friedrich de la Motte Fouqués gleichnamige Novelle aus dem Jahr 1811 zurück, die sowohl E.T.A. Hoffmann (1816) als auch Albert Lortzing (1845) zu Opern inspirierte, nicht zu vergessen drei Ballette und die fantasievolle Nachdichtung von Jean Giraudoux, dessen Drama 1939 in Paris uraufgeführt wurde. Dass ausgerechnet der irische Regisseur Neil Jordan einen Mythos der deutschen Romantik mit der irischen Sagenwelt – hier heißen die Nixen „Selkies“, Robbenfrauen, die an Land ihr Fell verlieren und sich mit einem Mann vermählen – verbindet, verwundert im Grunde nicht: Schon mit „Zeit der Wölfe“ (fd 25 000) hatte Jordan die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit ausgelotet. Im Mittelpunkt steht Syracuse, ein ruppiger, geschiedener Fischer mit langen Haaren, der nur mühsam seinen Lebensunterhalt verdient. Colin Farrell spielt ihn als schweigsamen, unsicheren und zutiefst verletzten Einzelgänger, der nichts mehr vom Leben erwartet. Wie immer wirft er seine Schleppnetze aus – und zieht eine junge, schöne Frau an Bord. Angsterfüllt und vor Kälte zitternd, versucht sie panisch, sich vor anderen Menschen zu verbergen. Syracuse bringt Ondine, wie sie sich nennt, kurz entschlossen im Häuschen seiner verstorbenen Mutter unter, das versteckt in einer abgelegenen Bucht liegt. Er pflegt sie, stiehlt Kleidung für sie und besorgt Lebensmittel. Gelegentlich muss er seine nierenkranke, zehnjährige Tochter Annie – sie lebt bei ihrer alkoholabhängigen Mutter – zur Dialyse bringen. Annie ahnt, dass ihr Vater etwas verschweigt, und macht sich auf die Suche nach der geheimnisvollen Meerjungfrau. Ondine hingegen begleitet Syracuse bei der Arbeit auf dem Fischkutter. Mit einem Mal füllen sich die ins Wasser gelassenen Käfige mit unzähligen Hummern. Syracuse verliebt sich allmählich in die unwirklich erscheinende Glücksfee. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht ausschließen. Schon zu Beginn des Films waren Ondines Nervosität und Menschenscheu Hinweise darauf, dass dieses Traumgeschöpf, von Alicja Bachleda-Curus in einer Mischung aus kindlicher Unschuld und erotischer Verführungskraft gespielt, einen ganz realen Hintergrund hat. So legt sich eine verhaltene Spannung über den Film. Wer ist diese Frau? Was hat sie in diesen abgelegenen Winkel der Welt verschlagen? Wohin wird die Geschichte führen? Zu den schönen Ideen von Jordans Drehbuch zählt, dass Syracuse das Erlebte an seine im Rollstuhl sitzende, aufgeweckte Tochter und, in den komischsten Momenten, an einen Priester im Beichtstuhl weitergibt – so, als wolle er sich durch die Doppelung der Erzählung ihres Wahrheitsgehalts versichern. Doch die dann einsetzende Krimihandlung mit unspektakulärem Showdown verortet den Film eindeutig in der Realität. Jordan interessiert sich kaum für die banale Auflösung; mögliche dramaturgische Zuspitzungen lässt er aus, was „Ondine“ einen langsamen, unaufgeregten Rhythmus verleiht. Die Versatzstücke des Kriminalfilms fungieren nur als Hindernisse auf dem Weg zum Happy End dieser „schamlos romantischen Liebesgeschichte, in der die Menschen darauf bestehen, ihr Leben in ein Märchen zu verwandeln“, wie Jordan in den Produktionsnotizen gesteht. Zur märchenhaften Atmosphäre tragen auch die betörenden Bilder des Kameramanns Christopher Doyle bei: Er fängt die irische Landschaft mit Steilküste, tosendem Meer und kleinen Inseln als Sehnsuchtsort ein, in dem noch ein ursprüngliches Leben im Zusammenklang mit der Natur möglich scheint.

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