Guru - Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard

Dokumentarfilm | Schweiz 2010 | 102 Minuten

Regie: Sabine Gisiger

In den 1970er-Jahren war der Ashram des Bhagwan Shree Rajneesh in Poona magischer Anziehungspunkt für alle, die durch Meditation und tantrischen Sex nach einem höheren Bewusstsein strebten. Nach dem Umzug der Kommune in die Berge Oregons mündete das Experiment in einen destruktiven Albtraum. Der chronologisch strukturierte Dokumentarfilm versucht mit Hilfe zweier Vertrauter des Bhagwan, die Frage zu klären, warum das Projekt scheiterte, gelangt aber über allgemeine Erklärungen nicht hinaus. Vor allem vermag er nicht plausibel zu machen, worin eigentlich die Faszination des Bhagwan und seiner Lehre bestand. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
GURU - BHAGWAN, HIS SECRETARY AND HIS BODYGUARD
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Das Kollektiv für audiovisuelle Werke
Regie
Sabine Gisiger · Beat Häner
Buch
Sabine Gisiger · Beat Häner
Kamera
Beat Häner · Matthias Kälin
Musik
Marcel Vaid
Schnitt
Barbara Weber
Länge
102 Minuten
Kinostart
23.09.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
So richtig nachvollziehen kann man die Anziehungskraft, die von Person und Lehre des Bhagwan Shree Rajneesh in den 1970er-Jahren ausgegangen sein muss, heute nicht mehr. Aus heutiger Sicht hat die Figur des spirituellen Führers, dessen Idee einer Kombination aus westlichem Materialismus und östlicher Spiritualität durchaus hausbacken erscheint, fast etwas Verschmitzt-Koboldhaftes. Doch auf welche Bedürfnisse der westlichen Welt der Bhagwan so erfolgreich reagierte, spart der Dokumentarfilm von Sabine Gisiger und Beat Häner aus, obwohl er sich aus einem reichen Fundus an historischem Material bedient. In England hört der junge Hugh Milne eine Unterrichtung des Bhagwan auf Audiotape und beschließt, nach Indien aufzubrechen. Hugh wird einige Jahre ein Leibwächter des Bhagwan und berichtet hier gewissermaßen aus erster Hand über die Entwicklung der Lebensgemeinschaft hin zur Sekte mit totalitär-paranoiden Zügen. Milne hat den Ashram als Dissident verlassen. Er ist es, der das Thema des Films benennt: „Where did it begin to go wrong?“ Die zweite Gesprächspartnerin der Filmemacher ist die ehemalige Sekretärin und das Sprachrohr des Bhagwan, Sheela Birnstiel, die heute in der Schweiz lebt und im Pflegedienst tätig ist. Sie organisierte seinerzeit den spektakulären Umzug der Sekte aus Platz- und Steuergründen von Poona in Indien nach Oregon, USA. Dort wurden die US-Behörden beim Erwerb eines als Farmland ausgewiesenen größeren Stücks Land getäuscht, was dann auch das Binnenklima der Sekte umschlagen ließ: Die Bhagwan-Jünger versuchten gewissermaßen, eine ganze Region zu unterwandern. 1986 wurde Birnstiel in den USA zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Zu den Anklagepunkten gehörten Anstiftung zum Mord, Arrangement von Scheinehen und die Installation von Abhöranlagen. Die Diskrepanz zwischen den von Ekstase und Ich-Dissoziation geprägten Anfängen in Indien und dem abgeschotteten Leben voller Fronarbeit und Unterwerfungsrituale in Oregon könnte kaum größer sein. Obwohl sich die Filmemacher der Mitwirkung zweier prominenter Ex-Sannyasin versichern konnten, kommt der Film nicht recht vom Fleck. Die gestellten Fragen sind derart unpräzise, dass man sich fragt, worauf die Filmemacher eigentlich hinauswollen; die Antworten der Interviewten lavieren sich mit freundlichem Lächeln oder vieldeutigem Schweigen um das Entscheidende herum. Zudem bleibt das Archivmaterial lückenhaft und willkürlich montiert, auch eine Kontextualisierung unterbleibt. Das grundlegende Manko aber ist die fehlende Haltung der Filmemacher zum Bhagwan selbst, der wie eine Leerstelle erscheint, die an entscheidenden Stellen des Films das Projekt zu torpedieren scheint. Nie wird einsichtig, worin die Faszination von Bhagwans Erscheinung oder Lehre gelegen haben könnte. Geht es zu Beginn noch um die Ego-Auflösung mittels Meditation und tantrischem Sex, mündet das schließlich ins Sammeln von Rolls-Royce-Limousinen im sanften Drogenrausch, was man durchaus als subversive Geste gegenüber den eigenen Anhängern deuten könnte. Wenn der spirituelle Führer schweigt, übernimmt seine Sekretärin das Wort – und wird doch später von ihm selbst als „Papagei des Meisters“ degradiert. So bietet „Guru“ eine zwar chronologisch strukturierte, aber reichlich obskure, andererseits allzu bekannte Geschichte um Aufbruch, Blüte, Paranoia und Niedergang einer verschworenen Gemeinschaft, der es an allen Ecken und Enden mangelt. Letztlich erscheinen die Jahre der Bhagwan-Sekte wie ein bizarrer Spuk, der gar nicht soweit von einer Parodie wie „The Love Guru“ (fd 38 913) entfernt ist, nur eben ungleich langweiliger. Um hinter das Geheimnis des „Ganz entspannt im Hier und Jetzt“ (wie seinerzeit ein Bestseller über das Leben in Poona titelte, für das sich ja auch Theoretiker wie Rudolf Bahro erwärmen konnten), braucht es wohl mehr kritischer Intelligenz, als die Filmemacher aufzubieten hatten.
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