Eine ehemalige RAF-Terroristin, die untertauchte und im Elsass ein bürgerliches Leben führt, wird von ihrer Tochter aufgespürt, die sie als Kleinkind zur Adoption freigab. Nun fordert die junge Frau Sühne, während die Mutter die Vergangenheit ruhen lassen will. Der Film wird in seiner vorhersehbaren Dramaturgie den politischen Dimensionen des Themas zwar nicht gerecht, ist aber dank überzeugender Darstellerinnen dennoch ein spannendes Porträt eines schwelenden Generationenkonflikts.
- Ab 16.
Es kommt der Tag
Drama | Deutschland/Frankreich 2008 | 108 Minuten
Regie: Susanne Schneider
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2008
- Produktionsfirma
- Wüste Film Ost/filmtank Hamburg/Wüste Film West/Unlimited/SWR/WDR/ARTE
- Regie
- Susanne Schneider
- Buch
- Susanne Schneider
- Kamera
- Jens Harant
- Musik
- Andreas Schäfer · Biber Gullatz
- Schnitt
- Jens Klüber
- Darsteller
- Iris Berben (Judith) · Katharina Schüttler (Alice) · Jacques Frantz (Jean Marc) · Sebastian Urzendowsky (Lucas) · Sophie-Charlotte Kaissling-Dopff (Francine)
- Länge
- 108 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Die RAF und kein Ende. Nach Connie Walthers „Schattenwelt“ (fd 39 353) folgt erneut ein Familiendrama, nur dass diesmal der Kindergeneration zur Abwechslung die Täterrolle zugewiesen wird. Nach fast 30 Jahren glaubt eine untergetauchte Ex-Terroristin, es geschafft zu haben. Mit ihrem französischen Mann und zwei pubertierenden Kindern lebt Judith in der Nähe von Colmar und betreibt ein idyllisches Weingut. Von ihrer militanten Vergangenheit ist nur noch die gelegentliche Teilnahme an Bürgerinitiativen und Öko-Demos geblieben. Ein Zeitungsfoto, das sie als Gegnerin der Anpflanzung von Gen-Mais zeigt, wird ihr eines Tages zum Verhängnis. Ihre in Norddeutschland lebende Tochter Alice, die sie mit zwei Jahren zur Adoption freigab, um in den Untergrund gehen zu können, erkennt sie wieder. Sie hat die Zurückweisung nie verwunden und bricht spontan nach Frankreich auf. Für sie ist endlich der Tag gekommen, die Rechnung mit der terroristisch entgleisten Mutter zu begleichen. Um Zutritt in ihr Haus zu bekommen, fingiert sie einen Unfall. Ihr offensives Auftreten ist der herben, zurückhaltenden Judith suspekt. Als sie in einer Tasche alte Fahndungsplakate findet, kommt sie hinter die wahre Identität der Fremden. Es beginnt ein Mutter-Tochter-Duell, bei dem die eine das Recht auf ein spätes bürgerliches Leben verteidigt, während die andere genau dieses planmäßig und mit zunehmend inquisitorischen Mitteln zerstören will. Sie stellt nicht nur Fragen nach dem Sinn der Jahrzehnte zurückliegenden Gewalttaten. Sie fordert die Mutter auf, die Vergangenheit nicht zu verleugnen, ihren Kindern die Wahrheit zu sagen und sich selbst der Polizei zu stellen. Judith gibt sich uneinsichtig und versteckt sich hinter hilflosen Vergleichen des deutschen Terrorismus mit der Résistance. Sie denkt weiterhin in ideologischen Kategorien und weigert sich, den in ihren Augen selbstbezogenen Schmerz der Tochter anzunehmen.
„Es kommt der Tag“ ist das Regiedebüt der Drehbuchautorin Susanne Schneider. Die Grundkonstellation erinnert an ähnliche RAF-Lebensläufe, die schon Volker Schlöndorff in „Die Stille nach dem Schuss“ (fd 34 450) oder Christian Petzold mit „Die innere Sicherheit“ (fd 34 691) aufgriff. Schneider erzählt das moralische Fragen nach Schuld und Vergebung aufwerfende Drama schleichend, aber ohne retardierende Momente und vor allem dezidiert aus der Sicht von zwei ungleichen Frauen, deren Privatleben an den Spätfolgen einer einzigen extremen Entscheidung zu zerbrechen droht. Im Verlauf der von Hasstiraden, Vorwürfen und abgehangenen Polit-Floskeln geprägten Konfrontation verliert der Film jedoch zunehmend an analytischer Aussagekraft und begnügt sich mit einer fast kammerspielartigen Dramaturgie, die Iris Berben und Katharina Schüttler zwar genug Raum zum eindrucksvoll kontrastreich angelegten Spiel bietet, ansonsten aber allzu vorhersehbar auf einen Höhepunkt zusteuert, der statt einer wirklichen Aussprache nur tränenreiches Geschrei bietet. Dass daraus dennoch keine Ablehnung des Films entsteht, liegt an seinem konsequent privaten Blickwinkel auf eine verunsicherte Generation, die wegen der Taten ihrer Eltern nicht zur Ruhe kommt, und an zwei Hauptdarstellerinnen, die sich trotz der den Dimensionen des Themas nicht gewachsenen Dialoge gegenseitig zu Höchstleistungen animieren.
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