- | Irland/Deutschland 2007 | 89 Minuten

Regie: Marian Quinn

Im Dublin der 1970er-Jahre erleben vier Teenager-Freundinnen, die gemeinsam auf eine Klosterschule gehen, Irrungen und Wirrungen des Erwachsenwerdens, wobei Konflikte mit der ersten Liebe und den Eltern, aber auch untereinander bewältigt werden müssen. Mit beachtlichem visuellen Raffinement und subtilem Humor gelingt es dem Coming-of-Age-Drama, ein einfühlsames Bild der Zeit und seiner jugendlichen Figuren zu entwerfen. (O.m.d.U.) - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
32A
Produktionsland
Irland/Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Janey Pic./Flying Moon Prod.
Regie
Marian Quinn
Buch
Marian Quinn
Kamera
P.J. Dillon
Musik
Gerry Leonard
Schnitt
Rune Schweitzer
Darsteller
Ailish McCarthy (Maeve Brennan) · Sophie Jo Wasson (Ruth Murray) · Orla Long (Orla Kennedy) · Riona Smith (Claire Fox) · Shane McDaid (Brian Power)
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
absolutMEDIEN
DVD kaufen

Diskussion
Es gehört zu den treffendsten Bildern, die dieser Film über das Erwachsenwerden findet: In einem schmalen Vorraum zwischen Haus- und angrenzender Glastür hocken die 13-jährige Maeve und ihr Schwarm Brian, während Regen über die Glasfront rinnt. Die beiden tauschen Banalitäten aus, lachen, schweigen sich vielsagend an, bis Brian Maeve endlich den heiß ersehnten Zungenkuss gibt. In dieser Schlüsselszene ihres Spielfilmdebüts „32A“ platziert Marian Quinn das Paar in einem Zwischenraum: das Zuhause im Rücken, den Blick schon nach draußen gerichtet. Die bemerkenswerte Fotografie des Films setzt die jugendlichen Protagonisten immer wieder in kleine Nischen. Um Maeve und ihre Freundinnen Ruth, Claire und Orla herum versinkt das heimische Dublin oft in Unschärfe. Dabei resultieren solche visuellen Tugenden des optisch brillanten Coming-of-Age-Films aus der Not eines schmalen Budgets. Der Film spielt im Irland der späten 1970er-Jahre; den richtigen Zeitkolorit treffen hieß in den meisten Fällen also: Weglassen. Hinter der Ziffer „32A“ verbirgt sich nach britischer Norm eine geringe Körbchengröße. Für Maeve und ihre Freundinnen, die gemeinsam auf eine katholische Klosterschule gehen, bedeutet der erste BH den Eintritt in die Weiblichkeit. Der Busenvergleich – und das Taxieren üppig dimensionierter Passantinnen – ist die Königsdisziplin des scheinbar unzertrennlichen Quartetts. Dass eine von ihnen, Claire, ihre Vermessung in der Unterwäscheabteilung noch vor sich hat, kommentiert sie selbst mit feministischen Scheinbehauptungen. „Der BH ist ein Symbol für die Unterdrückung der Frau“, wettert Claire. Ihre Freundinnen wissen, dass ihr Trotz bald einem scheuen Stolz weichen wird. Die Freundschaft des Vierergespanns wird auf eine harte Probe gestellt, als der begehrteste Junge der Nachbarschaft, Brian Power (sic), sich für Maeve interessiert. Die heftige, aber kurze erste Liebe der eigentlichen Hauptfigur zeichnet der Film mit großer Empathie nach. Man erlebt die Liaison durch Maeves Augen: Das nächtliche Kennenlernen in einem Garten, während drinnen eine Party gefeiert wird, das für Maeve eher irritierende Treffen mit Brians Freunden, die Drogen im Park konsumieren und verkaufen, der gemeinsame Discobesuch, der in Maeves Erkenntnis mündet, dass der Angebetete vor allem an Verführung und kaum an einer Beziehung interessiert ist. Es sind Erfahrungen im Spektrum zwischen Euphorie, Ernüchterung und tiefer Traurigkeit, die wohl jeder Mensch teilt und die hier dank Quinns Talent für facettenreiche Schilderungen nachfühlbar werden. Ähnlich wie Maeve gerät ihre Freundin Ruth auf Schlingerkurs zwischen Erwartung und Enttäuschung, als ihr Vater telefonischen Kontakt zu jenem Mädchen aufnimmt, das ihren Erzeuger nie kennen gelernt hat. Claire und Orla begleiten Ruth zu dem mit Bangen erwarteten Treffen unter einer Bahnhofsuhr – dass die über beide Ohren verliebte Maeve lieber zum Tanzen geht, als ihrer Freundin beizustehen, führt dann zum Bruch der Freundschaft, der schwer zu überwinden scheint. Im letzten Drittel des Films steht der Zwist und die allmähliche Versöhnung der Freundinnen im Vordergrund. Weder Maeves leichtfertiger Lover Brian noch Ruths schwermütiger Vater spielen noch entscheidende Rollen, was den Spannungsbogen zum Finale hin etwas durchhängen lässt. Maeve – deren verbotener Discobesuch aufgeflogen ist – muss auf Geheiß ihres Vaters die Garage schrubben, doch aus der rigiden, lustfeindlich wirkenden Haltung der Eltern entsteht kein authentisches Bild der Reibung zwischen den Generationen. Dass Maeve, die zuvor den Aufstand probte, klein beigibt und sich restlos der elterlichen Vernunft beugt, mindert die Überzeugungskraft der Figur. Das ändert nichts am makellosen Schauspieldebüt der jungen Irin Ailish McCarthy, die ihrer Figur mit einer imponierenden Palette zwischen Zartheit und Entschlossenheit gewachsen ist. Die Oberinnen und Pädagoginnen an der Klosterschule werden dagegen bis zur Karikatur überzeichnet; auf eine knappe, offenbar weitgehend der Selbstzensur zum Opfer gefallenen, aber immer noch peinlichen Episode mit einem Exhibitionisten – der die Lehrerinnen mehr erregt als er ihre Schülerinnen verwirrt – hätte getrost verzichtet werden können. Trotz solcher Einwände ist Quinn ein einfühlsamer Film über das Erwachsenwerden geglückt. Und mit einer komischen Schlussszene, die Claire endlich beim BH-Anprobieren zeigt, während ihr Vater draußen vor der Kaufhaustür (!) mit der Verkäuferin über das schicklichste Modell diskutiert, findet der Film auch zu seinem subtilen Humor zurück.
Kommentar verfassen

Kommentieren