Die Schimmelreiter

Buddy-Movie | Deutschland 2008 | 94 Minuten

Regie: Lars Jessen

Ein ordnungsliebender, ganz im Stillen vom Ausbruch aus seinem Alltag träumender Lebensmittelkontrolleur in der dithmarschen Provinz gerät an einen misanthropisch-desillusionierten Mitbewohner, der ihn bei seinen Kontrollfahrten begleitet. Lakonisch-humorvolles Road Movie, das trotz einiger schwächerer Nebenfiguren ganz vom Charme der entwickelten "Buddy"-Beziehung sowie von poetischen Landschaftsbildern lebt. Dabei beleben die regionalen Bezüge die Genrekonventionen auf interessante Weise. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Neue Mira Filmproduktion/NDR
Regie
Lars Jessen
Buch
Ingo Haeb · Lars Jessen
Kamera
Michael Tötter
Musik
Jakob Ilja
Schnitt
Marcel Peragine
Darsteller
Peter Jordan (Fuchs) · Axel Prahl (Tillmann Koch) · Katharina Wackernagel (Beate) · Bjarne Mädel (Sigmar Koch) · Jan Peter Heyne (Hinne Heino Göbkens)
Länge
94 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Buddy-Movie | Komödie | Road Movie
Externe Links
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Heimkino

Die umfangreichen Extras beinhalten u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs, des Co-Drehbuchautor Ingo Haeb und des Darstellers Peter Jordan, ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen sowie eine separate Tonspur mit dem Soundtrack auf der DVD.

Verleih DVD
Zorro Film (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Kaum hat die Buchverfilmung von Rocko Schamonis Jugenderinnerungen, „Dorfpunks“ (fd 39 265), den Weg auf die Leinwand gefunden, folgen „Die Schimmelreiter“ einem ähnlichen Heimatfilm-Konzept. Zwei sonderbare Außenseiter stehen im Mittelpunkt dieser an frühe Filme von Jim Jarmusch erinnernden Nahaufnahme der menschenleeren Landschaft von Dithmarschen, die von Zugereisten nur so wimmelt. Chinesen, Italiener und vermeintliche Griechen hat es hierhin nach Friesland verschlagen, um die Einheimischen mit ihren kulinarischen Spezialitäten zu beglücken. Wenn da nicht der regelmäßige Besuch eines in Aufmachung und Autowahl den 1950er-Jahren huldigenden Lebensmittelkontrolleurs wäre, der seinen Job mehr als ernst nimmt, im Stillen aber von der fernen Großstadt träumt und einem allzu entgegenkommenden Altruismus frönt. Ein biederer, die Ordnung liebender und wortreich Optimismus verbreitender Typ, der noch nie im Ausland war und mit seiner Hornbrille und Haartolle der öden Normalität entkommen möchte, die ihm längst ans Herz gewachsen ist. Auf der Flucht vor dem Alltagstrott ist auch sein neuer Mitbewohner, den der korrekte Rebell auf seinen Kontrollfahrten duldet, weil ihm dessen Bruder eine Anstellung in Hamburg in Aussicht gestellt hat. Axel Prahl ist für die Rolle des Misanthropen die ideale Besetzung. Er bringt die nötige Erfahrung im Fach des brutalen Ekels mit, man denke nur an seine Glanzleistung in „Die Polizistin“ (fd 34 839). Mit sichtlichem Vergnügen an der Verachtung anderer und seiner selbst wirbelt der weit gereiste und gebildete Alkoholiker, Pillenschlucker und Gelegenheitskokser den Berufsalltag seines Gastgebers durcheinander, indem er dessen Stammkunden über den Tisch zieht, sich kostenlos verpflegen lässt und unverhohlen „Schutzgeld“ kassiert. Die durchaus charmant unterhaltende Low-Budget-Komödie, deren Drehbuch auf das Konto von Ingo Haeb geht, von dem auch „Am Tag als Bobby Ewing starb“ (fd 37 078), besticht durch lebensnahe Dialoge und lebt von der Spannung, die das ungleiche Paar an die Grenzen seiner Belastbarkeit bringt – bis zur finalen Prügelei, die sie für einen kurzen Moment Respekt voreinander finden lässt, bevor sie endgültig getrennte Wege gehen. Nicht zu vergessen die wunderbar lakonische Kamera, die der wütenden Nordsee, den kargen Dämmen und verlassenen Landstraßen in matten grün-blauen Tönen poetisch leise Bilder abzugewinnen vermag. Wenn karikaturhaft gezeichnete Abziehbilder italienischer Machos bei der Ausübung unvermeidlicher Männerrituale mitunter den Rhythmus stören und die Rolle von Katharina Wackernagel als heimlich angehimmelte Arbeitskollegin seltsam richtungslos ins Leere läuft, ist das zu verschmerzen, zumal das Buddy-Duo Ecken und Kanten entwickelt, die den Mut zum Allzumenschlichen offenbaren. Kein großes Kino, aber ein vorbildliches kleines Road Movie, das genau den Grenzbereich zwischen Genrekonvention und regionalem Bezug findet, in dem eine von den Amerikanern hundertfach erzählte Geschichte erst wieder interessant wird.
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