Eine der zentralen Figuren taucht im Abspann gar nicht auf: Vesper Lynd. Doch die Erinnerung an sie ist die treibende emotionale Kraft von „James Bond 007 – Ein Quantum Trost“. Die Begegnung mit der schlagfertigen Schönen in „James Bond 007: Casino Royale“
(fd 37 910) hatte Risse im emotionalen Panzer des Geheimagenten entstehen lassen, den Daniel Craig weniger als Gentleman denn als eiskalten, von seiner Lizenz zum Töten brutal Gebrauch machenden MI6-Killer interpretierte. Die Liebe zu Vesper brachte ihn soweit, dem mörderischen Agenten-Geschäft den Rücken kehren zu wollen – bis der „Verrat“ und der tragische Tod der Geliebten diesem Prozess der Menschwerdung ein radikales Ende setzten. „Ein Quantum Trost“ erzählt erneut von der Jagd nach einem Superschurken, kreist aber unterschwellig auch um diesen erlittenen Verlust: Bond leckt seine Wunden, indem er wie ein angeschossenes Tier um sich beißt.
Entsprechend heftig geht es zur Sache. Die Exposition rammt den Zuschauer mitten in eine rasante Autoverfolgungsjagd: eine Montagesequenz, in der nicht nur viel Blech, sondern auch die Einstellungen miteinander kollidieren. Marc Forster schuf einen atemberaubend schnellen Film; in der Inszenierung ähneln die diversen Scharmützel, die Bond austragen muss – über den Dächern Sienas, in einem Hafen in Haiti, in Bogotá –, mehr dem letzten Teil der „Bourne“-Trilogie
(fd 38 291) als „Casino Royale“: Ein Kaleidoskop von Bildfetzen, eingefangen von einer sprunghaft-beweglichen Kamera, fliegt einem förmlich um die Ohren. Dadurch wirkt die Action nicht packender als im Vorgängerfilm, da ein Stück weit die Übersichtlichkeit eingeschränkt wird und man bisweilen kaum zuordnen kann, wer da gerade in wen kracht. Doch markiert Forster damit eindrücklich die Verfassung seines beschädigten Helden: Die Welt löst sich in Splitter auf, und die Gewalt, die Bond ausübt (um seinem Land zu dienen? oder mehr aus blindwütiger Rache für Vespers Tod?) gerät zum Rausch, zur Droge. Inhaltlich setzt der Film neue Akzente im 007-Universum, indem er keine eigenständige Geschichte, sondern als veritables Sequel unmittelbar dort weiter erzählt, wo „Casino Royale“ aufhörte. Das „Quantum“ entpuppt sich als Name jener mysteriösen Organisation, die schon im Vorgängerfilm die Strippen zog und Bonds Hass auf sich lenkte, weil er sie für Vespers Tod verantwortlich macht. An die Stelle der alten Blöcke des Kalten Kriegs tritt ein internationales Spinnennetz, bestehend aus Grauen Eminenzen und Funktionären aus Politik und Wirtschaft, die allerorts mitmischen, wo Geld zu machen ist, und die „ihre Leute überall haben“ – auch in den Geheimdiensten. Bond folgt den Spuren der Organisation und stößt auf den Geschäftsmann Dominic Greene, den Kopf einer Korporation, die global Land erwirbt, um angeblich Öko-Reservate anzulegen, sich tatsächlich aber Ressourcen unter den Nagel reißt, um später Regierungen zu erpressen. Greenes neues Ziel ist Bolivien, wo er einem hochrangigen Militär Unterstützung bei einem Putsch im Austausch für ein scheinbar wertloses Gebiet zusagt, dessen Besitz ihm indes ermöglichen würde, große Teile der Wasserversorgung des Lands zu kontrollieren.
Allerdings hat Greene die Rechnung ohne die junge Camille gemacht, die den Militär-Verbündeten Greenes töten will – und ohne Bond, dem die Jagd nach „Quantum“ sogar noch wichtiger ist als die Loyalität zum Secret Service. So unrealistisch dieses Verschwörungsszenario um „Quantum“ sein mag, so überzeugend ist die Brandmarkung internationaler Ausbeutungsmechanismen und unseliger Verstrickungen politischer wie wirtschaftlicher Interessen, die als neues „Böses“ ausgemacht werden – und sich nicht mehr in Schwarz-Weiß-Schemata positionieren lassen, sondern sich im Grau globaler Verflechtungen verbergen. Jenseits solcher nachdenklichen Akzente ist „Ein Quantum Trost“ freilich pures Bewegungskino. Das menschliche Drama des Agenten, mit dem der Vorgängerfilm dem Franchise ein neues, eindrucksvolles Gesicht gab, kommt kürzer, diffundiert von der Oberfläche mehr zwischen die Zeilen. Furios etwa die Sequenz auf der Bregenzer Seebühne: Hier wird die Coolness der Action durch die Spiegelung an der Opern-Szene („Tosca“!) ebenso sinnfällig wie tragisch unterspült.