Unter einem ewig blauen Himmel und einer pausenlos strahlenden Sonne, die alles sehr sauber und schon fast penetrant freundlich aussehen lässt, liegt Sun City. Was in den ersten Filmminuten wie eine satirische Science-Fiction-Vision aussieht, ist ein fast wirklichkeitsnahes Abbild der größten Seniorenkolonie der USA im amerikanischen Bundesstaat Arizona – ein höchst artifizielles Paralleluniversum, in dem der Tod derart abwesend ist, dass man vermuten könnte, es handele sich dort schon um das „Leben danach“. Als Lenny Savage die Badezimmerwand seines Bungalows mit dem eigenen Kot beschmiert, kommt das fast einem böswilligen Angriff gleich – auch wenn es sich dabei um ein alarmierendes Zeichen seiner fortschreitenden Demenz handelt. Bald darauf stirbt seine langjährige Lebensgefährtin, und für Lenny ist es Zeit, das pastellfarbene Rentnerparadies zu verlassen. Wendy und Jon, seine beiden Kinder, müssen sich fortan um ihn kümmern und ein geeignetes Pflegeheim für den Vater finden, mit dem sie nicht viel mehr verbindet als eine unschöne Kindheit. Der körperliche und psychische Verfall des Vaters löst bei den Geschwistern unterschiedliche Gefühle aus, von Unbehagen über Aggression bis hin zu Schuldgefühlen und Scham. „Wir sind schreckliche Menschen“, meint Wendy, als sie den Vater im Heim zurücklassen. Während sie sich mit der Trostlosigkeit der Pflegeeinrichtung nicht abfinden mag und völlig harmoniegestresst nach einer „freundlicheren“ Alternative sucht, reagiert Jon mit nüchternem Pragmatismus. Doch im Grunde sind beide gleichermaßen hilflos.
Tamara Jenkins begegnet der Schwere des Themas mit feinem, manchmal auch sarkastischem Humor, der sich vehement gegen jede Form der Sentimentalisierung und Larmoyanz richtet. „Die Geschwister Savage“ ist dennoch weniger ein Film über das Altern und den nahenden Tod als vielmehr über das Geschwisterverhältnis von Wendy und Jon. Doch genau diese Verschiebung scheint in der Natur der Sache zu liegen: Der kranke Vater wird immer weniger, verabschiedet sich jeden Tag ein Stück mehr von der Welt, während sich das eigentliche Drama bei den Kindern abspielt. Dabei geht es um weit mehr als die Wahl des „richtigen“ Pflegeheims oder wie man den Vater am diplomatischsten auf seine Bestattungswünsche anspricht. Denn hinter den unterschiedlichen Positionen der Geschwister verbergen sich nicht zuletzt tief sitzende Anerkennungskämpfe, die eher unterschwellig ausgefochten werden. Skeptisch mustern sie das Privat- und Berufsleben des anderen. Jon ist zumindest beruflich der erfolgreichere – er, der Ältere, ist Professor an einem College in Buffalo, quält sich gerade mit einem Buch über Brecht ab, lässt aber seine langjährige Freundin einfach davonziehen, als ihr Visum abgelaufen ist und sie das Land verlassen muss.
Wendy, die ein unbefriedigendes Verhältnis mit ihrem verheirateten Nachbarn hat, schlägt sich in New York mit schlecht bezahlten Jobs durch, dabei möchte sie als Bühnenautorin arbeiten. Zwischen Heimbesuchen und der damit verbundenen Konfrontation mit dem baldigen Tod des Vaters geraten die Geschwister aneinander, nähern sich an und versuchen ihr Bild vom anderen, das seit der Kindheit völlig stereotyp geblieben ist (eine weit verbreitete Familienkrankheit), zu korrigieren. Glücklicherweise verzichtet der Film dabei auf die im Familiendrama so beliebte psychologische Trickkiste, aus der Kindheitsgeschichten im Schnelldurchlauf gezaubert werden, um komplizierte Beziehungen auf einfache Art und Weise erklären zu können. Diese Offenheit wird am Ende jedoch ein Stück weit zunichte gemacht: Auf einer Theaterbühne verdichtet sich die Vergangenheit der beiden Geschwister in einem einzigen, symbolisch überfrachteten Bild.