Shekhar Kapurs „Elizabeth“
(fd 33 398) hatte 1998 mit der Krönung der legendären Monarchin noch da aufgehört, wo deren Biografie sonst für Filmemacher erst richtig interessant wurde. Die Fortsetzung „Elizabeth – Das goldene Königreich“ greift nun neun Jahre nach dem Original jene Facetten des Elizabeth-Mythos auf, die im Abenteuerkino bereits ausgesponnen wurden: die Spekulationen um eine Liebschaft der Königin mit dem staatlich sanktionierten Piraten Sir Walter Raleigh und vor allem die Seeschlacht gegen die Armada, mit der sich der schwelende Machtkampf zwischen dem spanischen Imperium und dem aufstrebenden britischen Königreich zugunsten Elizabeths I. entschied. Der Film begleitet seine Titelfigur auf dem mühevollen, mit Zweifeln und Anfechtungen gepflasterten Weg zu diesem Triumph, der tödliche Gefahren bereithält – nicht nur wegen der äußeren Anfeindung durch die katholischen Gegner auf dem Kontinent, sondern auch aufgrund der latenten Bedrohung der Monarchin durch gegenreformatorische Attentäter im eigenen Reich, die statt des protestantischen „Bastards“ lieber die von Elizabeth inhaftierte schottische Katholikin Maria Stuart auf dem englischen Thron sehen wollen.
Trotz des abenteuerlichen Themas und seines Originaltitels „The Golden Age“ ist Kapurs zweites Elizabeth-Bio-Pic erneut kein Abenteuerfilm und weder ein spektakuläres noch ein analytisches Epochen-Panorama, sondern ein Drama um Figuren, die auf der politischen Weltbühne exponierte Rollen spielen, aber an ihren Masken schwer zu tragen haben. Die Welt außerhalb des höfischen Kosmos wird wie im Vorgängerfilm nahezu ausgeblendet, und der „Showdown“ der Seeschlacht, auf den die Handlung zusteuert, ist zwar bildgewaltig, aber gleichzeitig irgendwie verhalten inszeniert: Die Action geht über in einen fast kontemplativen Blick auf einen Wendepunkt im Geschick zweier Nationen, bei dem das Handeln der Figuren kaum eine Rolle zu spielen scheint, sondern das Schicksal bzw. die Natur Schiedsrichter spielt. Das Handlungszentrum des Films ist der prunkvolle Hof der britischen Monarchin: Hier übt Elizabeth ihre hart erkämpfte Herrschaft aus, die sich nicht zuletzt auf die Inszenierung bzw. Ikonisierung der „jungfräulichen Königin“ gründet. Noch mehr als „Elizabeth“ ist die Fortsetzung denn auch ein veritabler Theater-Film, der mit der Spannung zwischen On- und Off-Stage-Szenen arbeitet: Plattformen, auf denen die Protagonisten sorgfältig kostümiert und geschminkt ihre Auftritte absolvieren – der Thronsaal, in dem Elizabeth Gesandte empfängt, aber auch der Weg zur Kirche, die Tanzfläche, der Speisesaal, die Frontlinie beim Erwarten der spanischen Armada – wechseln mit intimeren Räumen wie beispielsweise dem Bade- oder Ankleidezimmer. Ein Gutteil der Faszination des Films ergibt sich daraus, Cate Blanchett dabei zu beobachten, wie ihre Figur sich zwischen diesen Sphären bewegt und dabei die „Gloriana“ und die private Elizabeth nie ganz voneinander trennen kann. Dem äußeren, politischen Konflikt steht wie im ersten Film ihr persönlicher Konflikt zwischen Pflicht und Neigung gegenüber, die Notwendigkeit, Gefühle der Staatsräson zu opfern: Sie ringt mit ihrer Zuneigung zu dem verwegenen Kapitän Raleigh. Dieser frisch aus den amerikanischen Kolonien eingetroffene Seemann wirkt an dem streng reglementierten, steifen Hof wie ein Abgesandter aus einer für Elizabeth längst verlorenen Welt der Natürlichkeit, in der nicht das Amt, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht – eine Welt, in die es für Elizabeth, sofern sie nicht ihr Königtum aufs Spiel setzen will, jedoch kein Zurück gibt. Sie beruft deswegen, gleichsam als „Stellvertreterin“, eine ihr besonders vertraute junge Hofdame zur Mittlerin zwischen sich und Raleigh, kommt dann aber an die Grenzen ihrer inneren Stärke, als sie der Anderen tatsächlich die Hand des Geliebten überlassen soll. Das mag vielleicht im Vergleich zur Liebesgeschichte des ersten „Elizabeth“-Films nicht ganz originell sein, aber da die einmal mehr „Oscar“-würdige Cate Blanchett ebenso wie Clive Owen und Abbie Cornish das Dreiecks-Melodram mit Leben zu füllen verstehen, schadet es dem Film nur insofern, als dass daneben andere Konflikte, die im Film angelegt sind, etwas zu kurz geraten. Eine wunderbare Nebenrolle, die mehr Raum verdient hätte, ist etwa Samantha Mortons Maria Stuart, die meint, von ihrem Kerker aus noch Fäden ziehen und Ränken schmieden zu können und dann doch nur das Opfer der Ränken anderer ist: In einer Szene bricht sie noch wie ein Häuflein Elend zusammen, wenn ihr Mitwirken bei einem Attentatsplan gegen Elizabeth aufgedeckt wird, um dann mit einer Grandezza das Haupt auf den Richtblock zu legen, als hätte sie die Regieanweisungen zu diesem königlichen Abgang von Friedrich Schiller persönlich. Auch Geoffrey Rush, der erneut als Elizabeths „Schatten“ Walsingham zu sehen ist und gewissermaßen die ins Geheime verdrängte, düstere Seite der Macht der reinen „Gloriana“ verkörpert, muss seine eigene private Tragödie in einige kurze Sequenzen pressen. Dramaturgisch dadurch etwas unausgewogen und spröde und weniger eigenständig gegenüber dem Original, als er hätte sein können, überzeugt „Elizabeth – Das goldene Königreich“ indes nicht nur als herrliches Schauspielerkino mit einigen brillanten Szenen, sondern vor allem auch als opulenter Augenschmaus, bei dem man sich an satten Farben, an der Textur von Stoffen und Gesichtern, an Lichtgemälden und ungewöhnlichen Perspektiven ausgiebig satt sehen kann.