Momentaufnahmen aus der brandenburgischen Provinz: Am Beispiel dreier junger Erwachsener, die u.a. um den Hauptschulabschluss ringen oder von einer Musiker-Karriere träumen, zeichnet der bedrückende Diplomfilm das Bild einer Perspektivlosigkeit, die sich hinter "Gangstar"-Posen verschanzt. Durch die Arbeit mit Laiendarstellern erreichen die Filmemacher ein hohes Maß an Authentizität, was es umso schmerzhafter macht, dabei zuzusehen, wie sich die Jungen mitunter selbst im Weg stehen. Trotz der Darstellung von Glücksmomenten sowie der besonderen Talente der Protagonisten sind Leere und Hilflosigkeit zum Greifen nahe.
- Ab 16.
Preußisch Gangstar
- | Deutschland 2007 | 92 Minuten
Regie: Bartosz Werner
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- Fortuna Film/HFF "Konrad Wolff"
- Regie
- Bartosz Werner · Irma-Kinga Stelmach
- Buch
- Irma-Kinga Stelmach · Bartosz Werner
- Kamera
- Andreas Bergmann · Ben Pohl
- Musik
- Benjamin Krbetschek · Preußisch Gangstar · micropropaganda
- Schnitt
- Marc Hofmeister
- Darsteller
- Robert Ohde (Nico) · Benjamin Suckow (Tino) · Mario Knofe (Oli)
- Länge
- 92 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Notizen aus der bundesdeutschen Provinz, diesmal Buckow. Man kann „Preußisch Gangstar“ durchaus als Ergänzung zu einem Film wie „Karger“ (fd 38 238) begreifen, nur dass in diesem Fall der Alltag jüngerer Protagonisten zum Thema gemacht wird. „Preußisch Gangstar“ erzählt aus dem Leben dreier Jugendlicher, die versuchen, ihren Platz im Leben zu finden, wobei die schulische Laufbahn als Sozialisationsinstanz weitgehend ausfällt. Die Eltern von Tino, Nico und Oli sind rational und freundlich, können ihren Kindern aber irgendwie auch nicht wirklich weiterhelfen, wenn der Hauptschulabschluss mal wieder auf der Kippe steht oder der Sachbearbeiter die Hartz-IV-Bezüge sperrt, weil er kein aktives Bemühen bei der Jobsuche erkennen kann. Nico ist 23 Jahre alt, hat seine Ausbildung abgebrochen, ist vorbestraft und träumt davon, mit seinen Skills als Rapper Anerkennung zu finden. Seine wenig originelle Musik hätte allerdings gute Chancen, bei Aggro Berlin veröffentlicht zu werden. Tino hat erhebliche Probleme, seinen Hauptschulabschluss zu schaffen. Schon jetzt ist er wesentlich älter als seine Klassenkameraden – und das Halbjahreszeugnis verheißt nichts Gutes. Dass er nicht aufgibt, hat weniger mit seiner Einsicht in die Notwendigkeit zu tun als vielmehr damit, dass er seine Mutter nicht enttäuschen möchte. In seiner Freizeit fährt er gerne MotoCross, aber davon darf seine sich sorgende Mutter besser nichts wissen. Oli hat eine Lehrstelle als Veranstaltungstechniker, wird aber von seinem Arbeitgeber vorzüglich als Springer auf Veranstaltungen eingesetzt, wo er dann halbnackt die Disco-Besucher bedienen muss. Oli träumt davon, in einem stillgelegten Bunker einmal selbst einen Club zu eröffnen, aber seine Freundin will weg aus Buckow.
Der Film zeichnet eine Momentaufnahme des Alltags dieser Clique, dokumentiert ihre Langeweile und Aussichtslosigkeit, aber auch die kleinen Sensationen und Glücksmomente. Ihr gemeinsames Hobby ist die Musik. Die Filmemacher Irma-Kinga Stelmach und Bartosz Werner haben bei ihrem Diplomfilm mit Laiendarstellern gearbeitet, was dem Film eine große Authentizität, einen quasi dokumentarischen Charakter verleiht. Der Zuschauer ist nah dran an den Jugendlichen, was nicht immer ein Vergnügen ist, wenn man sieht, wie sich Nico, Tino und Oli immer wieder selbst Knüppel zwischen die Beine werfen und teilweise auch recht borniert agieren. Die Jungs spielen ein wenig „Gangstar“ in der brandenburgischen Provinz, versuchen, Geld einzutreiben, um kleinere Drogendeals zu erledigen. Bei Nico schlägt die Frustration auch schon mal in Aggression um. Den Eltern und Großeltern bleiben die HipHop-Attitüden der Jungs fremd; die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen ist teilweise erschütternd. Die „Gangstar“ verstecken sich hinter ihren „angelesenen“ Images, stählen ihre Körper und feiern Parties, die in kompletter Erschöpfung enden. Vielleicht ist angesichts der Trostlosigkeit des Dargestellten, die durch die Authentizität noch verstärkt wird, den Filmemachern selbst unbehaglich geworden. Wie anders ist es zu erklären, dass der Film sich derart bemüht, den Jugendlichen Qualitäten und Fähigkeiten zuzuweisen, die gewissermaßen jenseits der Erwachsenenwelt und ihren Normen und Werten bestehen können? Dafür stehen Nicos Mikrofon-Fertigkeiten, Tinos Sportlichkeit, nur zu Oli ist den Filmemachern nichts eingefallen, aber dafür hat dieser eine recht konkrete Vorstellung von seiner Zukunft. Angesichts der objektiven Trost- und Perspektivlosigkeit der Jugendlichen wirkt diese forcierte Suche nach dem Positiven etwas schematisch und sozialpädagogisch. Eine Begabung beim Kickboxen ist ja ganz nett, aber ein Hauptschulabschluss ist auch nicht zu verachten. Wobei bildungsbiografisch ein Hauptschulabschluss in dieser Gesellschaft de facto ja längst wertlos ist. Nur in wenigen Momenten gelingt dem Film ein Blick hinter die Panzerung der HipHop-Posen, dann sind Hilflosigkeit und Leere mit Händen zu greifen.
„Preußisch Gangstar“ ist ein unangenehmer Film, der bestens zunächst bestens zu anderen Meldungen aus Dunkeldeutschland zu passen scheint, zu Geschichten wie „Der Kick“ oder den Attacken auf Ausländer. Guckt man etwas länger hin, merkt man, dass dieser Film genauso gut in Mannheim, Köln oder Kiel spielen könnte. Wenn einer Gesellschaft die Arbeit abhanden kommt, ist die Kombination von Perspektivlosigkeit und einer extrem machistischen und aggressiven Jugendkultur wie Proll-HipHop eben eine recht brisante Angelegenheit.
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