Robert Altman's Last Radio Show
Tragikomödie | USA 2006 | 105 Minuten
Regie: Robert Altman
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Der (realen) Live-Radio-Show "A Prairie Home Companion" von Garrison Keillor steht das (fiktive) Aus bevor. Während der letzten Sendung findet die Crew noch einmal zusammen, zeigt auf der Bühne komische und musikalische Nummern, tauscht hinter den Kulissen Erinnerungen aus und blickt wehmütig, aber nicht resigniert in die Zukunft. Zwei ungebetene Gäste sorgen allerdings für Aufregung. Robert Altmans letzter Film ist ein heiter-melancholischer Blick auf ein Stück amerikanischer Radiokultur und zugleich eine intelligente Reflexion über Tod und Abschied, deren Inszenierung noch einmal die ganze Kunstfertigkeit des Regisseurs zeigt. (Kinotipp der katholischen Filmkritik)
- Sehenswert ab 14.
Filmdaten
- Originaltitel
- A PRAIRIE HOME COMPANION
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Prairie Home Ent./GreeneStreet Films/River Road Ent./Sandcastle 5 Prod.
- Regie
- Robert Altman
- Buch
- Garrison Keillor
- Kamera
- Edward Lachman
- Schnitt
- Jacob Craycroft
- Darsteller
- Meryl Streep (Yolanda Johnson) · Lily Tomlin (Rhonda Johnson) · Woody Harrelson (Dusty) · Tommy Lee Jones (Axeman) · Garrison Keillor (Garrison Keillor)
- Länge
- 105 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Tragikomödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Die Standard Edition enthält u.a. ein ausführliches und interessantes "Making of" (50 Min.). Die "Special Edition" enthält zudem einen erhellenden Audiokommentar mit Regisseur Robert Altman und Darsteller Kevin Kline sowie ein Feature mit sechzehn im Film nicht verwendeten Szenen (21 Min.). Die Edition ist mit dem Silberling 2007 ausgezeichnet.
Der letzte Film von Meisterregisseur Robert Altman: Der (realen) Live-Radio-Show "A Prairie Home Companion" von Garrison Keillor steht das (fiktive) Aus bevor; während der letzten Sendung findet die Crew noch einmal zusammen.
Diskussion
Eine feuchte, leere, nächtliche Straße, ein Diner-Restaurant mit von innen erleuchteten Fenstern. In dieser Szenerie der Entfremdung und Einsamkeit, die direkt aus einem Bild von Edward Hopper stammen könnte, eröffnet der abgeklärte Privatdetektiv Guy Noir den Film als Erzähler. Er nimmt die Kinozuschauer mit aus der anonymen urbanen Vorhölle in ein kleines, dem Untergang geweihtes Paradies mittwestlich-amerikanischer Kultur: ins Fitzgerald Theater in St. Paul, Minnesota, wo die Live-Radioshow „A Prairie Home Companion“ inszeniert und ausgestrahlt wird und regelmäßig die Künstler, das Publikum im Saal und die Hörer vor den Radios zu einer großen Familie vereint. Guy wacht hinter den Kulissen als Mischung aus Bodyguard und Mädchen für alles über den ungestörten Ablauf der Show. Wobei er das unvermeidliche Ende dieses liebenswerten Biotops genauso wenig verhindern kann wie der Bronze-Kopf F. Scott Fitzgeralds, der wie ein Schutzgott im nach ihm benannten Haus thront. Die Vorboten von Abschied und Tod halten Einzug in Gestalt von Axeman, dem kaltschnäuzigen Vertreter einer Investmentfirma – und in der schönen Form einer geheimnisvollen Lady mit blonden Locken und weißem Trenchcoat.
Der Film zeigt eine (fiktive) letzte Sendung der (realen) „Prairie Home Companion Show“ von Garrison Keillor, einem Urgestein des amerikanischen Radios. 1969 stieg Keillor, der im Film sich selbst spielt, beim Minnesota Public Radio in eine Morgensendung mit diesem Titel ein (der übrigens von dem Friedhof „Prairie Home Cemetery“ in Moorhead, Minnesota, inspiriert wurde). 1974 übernahm er den Namen für sein Konzept einer Live-Radioshow mit (Country-) Musik-Gaststars, Werbung für imaginäre Produkte und anderen Comedy-Einlagen. Mit einer mehrjährigen Unterbrechung (Ende der 1980er- bis Anfang der 1990er-Jahre) wird die Sendung bis heute produziert und von Millionen Amerikanern gehört.
Das filmische Pendant, für das Keillor das Drehbuch schrieb, steht indes vor dem Aus: Das Fitzgerald Theater soll den schnöden Bauinteressen einer Investmentgruppe weichen. Schon vor der Sendung macht unter den „stage hands“ und den Künstlern hinter den Kulissen die Nachricht die Runde, dass dies wohl der letzte Abend für die Show wird, was bei einigen Gastkünstlern wie den singenden Johnson-Sisters, die ein halbes Leben mit der Sendung verbunden waren, für Melancholie und wehmütige Erinnerungen sorgt. Insgesamt trägt die Crew ihr Schicksal jedoch mit Fassung, teils sogar mit Humor. Keillor selbst gibt sich unbeeindruckt und will kein großes Theater um das Ende machen; gegen die Aufforderung, doch ein paar „offizielle“ warme Abschiedsworte ans Publikum zu richten, setzt er sich hartnäckig zur Wehr. Und so läuft die Show auf der Bühne ab, als wäre alles beim alten: Musiknummern mit schmalzigen Country-Hommagen an die Heimat am Mississippi wechseln mit Lobpreisungen eines bestimmten „Rhubarb Pie“ und den „bad jokes“ der singenden Cowboys Dusty und Lefty – wer nach dem Film mehr davon will, sollte übrigens auf der Homepage prairiehome.publicradio.org „jokes and more“ anklicken. Guy Noir ist derweil damit beschäftigt, sich um die „besonderen“ Gäste zu kümmern: Um Axeman, der durch das Miterleben der Show vielleicht gnädig gestimmt werden könnte, und um die Trenchcoat-Blondine – die ihm freilich unheimlich wird, als einer der ältesten Künstler der Show stirbt (wenn auch unter durchaus angenehmen Umständen) und die mysteriöse Fremde bei diesem Todesfall offensichtlich eine Rolle spielt. „Robert Altman’s Last Radio Show“ ist in vieler Hinsicht eine Art Rückblick auf das Werk des im November 2006 80-jährig verstorbenen Regisseurs: Da ist das Schweifen der Kamera um ein vielköpfiges Ensemble, da sind die sich überlappenden und ineinander fließenden Tonebenen, die Auseinandersetzung mit dem „American Way of Life“ und kleine Reminiszenzen an unterschiedliche Genres und Themen, mit denen sich Altman im Lauf seiner Karriere befasste: eine liebevolle Parodie des Film noir (obwohl die Figur Guy Noir eigentlich aus dem Comedy-Repertoire der „Prairie Home Companion“-Show stammt), eine Verbeugung vor dem Western, eine Rehabilitierung der (Country-) Musikszene, die er 1974 in „Nashville“ (fd 19 724) noch seziert hatte. Die Figur des glatten Axeman, für den Kunst nur ein Geschäft ist, könnte auch aus dem Film „The Player“ (fd 29 643) stammen, und die Funkgeräte und Lautsprecher, über die die Regie die Radio Show managt, lassen an „M.A.S.H.“ (fd 16 830) denken.
Dabei hat Altmans Inszenierungsstil nichts von seiner Frische und Stärke verloren: von der großen Freiheit seines wachen, weiten Blicks, der ein Sujet und die Charaktere nicht festnagelt, sondern der streift, begleitet und an den Rändern offen bleibt. Kein „Kino der Kadrage“, das die Wechselfälle des Lebens und die Fülle der Fantasie in festumrissene Bilder und Geschichten steckt, sondern der Versuch, dem Fließenden, dem Mannigfaltigen und der Komplexität von Beziehungen eine Form zu geben, ohne sich aber im Beliebigen zu verlieren. Seine kritische Schärfe hat Altman auch hier nicht verloren. Als Lola, die Tochter einer der Johnson-Schwestern, die während der letzten Sendung ihr Debüt als Sängerin gibt, ganz am Ende der „brotlosen Kunst“ den Rücken kehrt und zur ungeduldigen Geschäftsfrau wird, schwingt da eine gehörige Portion Misstrauen gegenüber der kommenden Generation an Künstlern mit.
Insgesamt hält sich der Satiriker Altman jedoch zurück; altersmild im besten Sinne, konzentriert er sich mit der Fokussierung auf Keillor und seine Künstler ganz auf Dinge, die ihm spürbar am Herzen liegen, deren Charme er trefflich sichtbar werden lässt und mit denen zusammen er sein Publikum lachen und weinen, hoffen und bangen, nie aber resignieren lässt. Zur Seite steht ihm dabei ein durchweg überzeugendes All-Star-Ensemble, angeführt von dem herrlich trockenen Keillor über einen Kevin Kline in komödiantischer Bestform bis hin zu Lindsay Lohan, die sich erstaunlich gut schlägt neben Lily Tomlin und Meryl Streep – und das, obwohl Letztere als verblüht-mädchenhafte, hemmungslos sentimentale Südstaaten-Schönheit ihren vielleicht besten Auftritt seit „Die Brücken am Fluss“ (fd 31 532) hinlegt. Man bedauert, dass sie zuvor noch nie mit Altman gearbeitet hatte – und dass sie das nun auch nie mehr wird tun können.
„Robert Altman’s Last Radio Show“ ist ein wunderschönes, berührendes, heiter-melancholisches Juwel, bei dem Liebhaber von Altmans Werk kaum ohne einen beträchtlichen Tränen-Zoll aus dem Kino kommen dürften – erst recht nicht, da man nun weiß, dass dies der letzte Film des Grandseigneurs der amerikanischen Independents ist. Gleichzeitig bleibt aber die tröstliche Erkenntnis: Es ist kaum ein würdigerer und schönerer Abschied vom Kino (und vom Leben) vorstellbar.
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