Ein perfektes Paar (2005)

Drama | Japan/Frankreich 2005 | 108 Minuten

Regie: Nobuhiro Suwa

Anlässlich der Hochzeit eines Freundes findet sich ein seit 15 Jahren verheiratetes Paar in Paris ein, nur um festzustellen, dass die eigene Trennung unumgänglich ist. Der sich im Wesentlichen auf eine Hotel-Suite als Schauplatz beschränkende Film zeigt seine Protagonisten kaum einmal gemeinsam im Bild und nutzt auf reizvolle Weise die Architektur, um ihre unterbewusst längst vollgezogene Trennung zu symbolisieren. Das strenge ästhetische Konzept ist dabei nie Korsett, sondern macht vielmehr Platz für unterschiedliche Bedeutungen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
UN COUPLE PARFAIT
Produktionsland
Japan/Frankreich
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Comme des Cinémas/Bitters End/arte France Cinéma/CNC
Regie
Nobuhiro Suwa
Buch
Nobuhiro Suwa
Kamera
Caroline Champetier
Musik
Haruyuki Suzuki
Schnitt
Dominique Auvray · Hisako Suwa
Darsteller
Valeria Bruni-Tedeschi (Marie) · Bruno Todeschini (Nicolas) · Nathalie Boutefeu (Esther) · Louis-Do de Lencquesaing · Jacques Doillon
Länge
108 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
In Nobuhiro Suwas erster französischer Produktion sieht man nicht nur ein Paar in der schmerzhaften Phase einer langsamen Trennung, sondern auch das Zusammentreffen von neuem japanischen Autorenkino und französischem Autorenfilm. Dass man es dabei mit einem radikalen, ästhetisch rigorosen Konzept zu tun hat, wird gleich zu Beginn klar. Der wesentliche Schauplatz des Films ist ein meist abgedunkeltes Hotelzimmer, das aus zwei – durch eine Flügeltür – getrennten Räumen besteht. In einer langen, statischen Einstellung beobachtet die Kamera wie Marie und Nicolas, die für die Hochzeit eines Freundes zusammen nach Paris gekommen sind, das Zimmer beziehen. Immer wieder laufen sie aus der Kadrierung heraus, verdecken sich gegenseitig, bewegen sich mal im Vorder-, mal im Hintergrund, wo gerade das Zimmermädchen ein Klappbett aufbaut. Die verschachtelte Architektur des Raums spiegelt die Distanz zwischen beiden, wenig später geben sie ihre Trennung bekannt. Doch auch der Zuschauer wird auf Abstand gehalten. Nie bekommt man das Paar in einem Bild gemeinsam – von Angesicht zu Angesicht – in den Blick, der Verzicht auf Nahaufnahmen verweigert zudem die Direktheit und „Wahrheit“ eines menschlichen Gesichts. Anfangs sind Marie und Nicolas noch völlig aufeinander bezogen. Sie hängen an ihren 15 Ehejahren, an der gemeinsamen Routine, den Gewohnheiten und Marotten, die ihnen gleichzeitig verhasst sind. Die Angst vor einer Zukunft ohne den anderen ist größer als das aufkommende Gefühl der Befreiung. Sie liefern sich verbale Gefechte, verletzen sich gegenseitig, fühlen sich schuldig, trauern. Doch wo die meisten Filme in der Darstellung emotionaler Ausbrüche jede unmittelbare Gefühlsregung einzufangen suchen, möglichst nah dabei sein wollen, setzt Suwa ganz auf die Positionierung der Figuren im Raum, ihre Bewegungen innerhalb der Kadrierung oder auch das Verharren in derselben. Auf diese Weise vermittelt der Film eindringlich das Gefühl ihrer Abgetrenntheit und Einsamkeit. Der größte Schnitt zwischen dem Paar findet immer dann statt, wenn einer von ihnen die Tür zwischen beiden Zimmern schließt. Dann bleibt die Kamera einfach auf die Tür gerichtet, als sei sie eine weitere Figur in der Erzählung. Je länger das Bild andauert, desto manifester erscheint die Trennung. Einmal flüstert Marie noch leise vor sich hin, wünscht Nicolas eine gute Nacht, bittet ihn um Verzeihung – und sie spricht es in ein Vakuum hinein. „Ein perfektes Paar“ begleitet Marie und Nicolas mit dokumentarischer Beobachtung, aber ohne jeden Voyeurismus durch den Film. Szenen werden häufig mit Jump-Cuts geschnitten, die Dialoge sind zum großen Teil improvisiert, sie sind dementsprechend lückenhaft und ergeben kein vollständiges Bild. Suwa hat einige wenige Nahaufnahmen mit einer zweiten, kleinen Digitalkamera gedreht, die sein Konzept der unbewegten Einstellungen wie kurze Perspektivwechsel durchbrechen. Marie besucht zweimal alleine das Rodin-Museum. Wenn sie den Skulpturen gegenübersteht, sie mit dem Blick zu fassen versucht, dann liegt darin auch der Wunsch, von ihnen aufgehoben zu werden. In diesem Moment ist die Kamera ganz nah auf ihrem Gesicht und bewegt sich mit – der Zuschauer darf für kurze Zeit bei der Figur sein, bevor sie wieder in die Totale entlassen wird. Zunehmend gewinnen Marie und Nicolas an Autonomie, und schon verändert sich ihr Blick aufeinander. In der ersten Szene, in der zwischen ihnen wieder eine Intimität spürbar wird, sprechen beide aus ihren Zimmern heraus miteinander. Der räumliche Abstand ist also relativ groß, doch dann folgt unvermutet Schnitt/Gegenschnitt, anstatt wie zuvor auf einer Person zu verharren und die andere aus dem Hintergrund oder sogar Off sprechen zu lassen. Selten hat man die Montage als gleichermaßen trennendes wie verbindendes Prinzip so deutlich vorgeführt bekommen. Eine körperliche Wiederannäherung – und damit auch die Zusammenführung der beiden Figuren in einem Bild – findet dann statt, als Marie ein eigenes Zimmer bezieht. Erst jetzt kann Nicolas sie wieder als ein Gegenüber sehen, auch wenn er den Moment schon wenig später wieder zerstören wird. Auf der Hochzeitsfeier des Freundes findet sich übrigens auch der französische Filmemacher Jacques Doillon unter den Gästen ein. In der Verbindung von Naturalismus und Stilisierung bezieht sich Suwa deutlich auf das Kino Doillons – insbesondere sein Film über ein quälendes Dreiecksverhältnis, „La femme qui pleure“ (fd 22 277), kommt einem da in den Sinn. „Ein perfektes Paar“ ist ein ebenso konzentrierter, genauer Film über den sich permanent verschiebenden Abstand innerhalb einer Liebesbeziehung. Das strenge ästhetische Konzept ist dabei nie Korsett, sondern macht vielmehr Platz für unterschiedliche Deutungen.
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