Darf man über 60 Jahre nach Auschwitz wieder Filme über Konzentrationslager machen? Filme, die nicht bloß entsetzlich grausam sind, sondern zudem noch kurzweilig, ja unterhaltsam? Der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky hat den Versuch gewagt. Mit „Die Fälscher“ traute er sich an einen vielschichtigen historischen Stoff, den zu bewältigen er nicht gerade prädestiniert schien. Zuletzt war Ruzowitzky bei „Anatomie 2“
(fd 35 844) mit biederem Retortenkino kläglich am Versuch gescheitert, das US-Horrorgenre in deutsche Filmsprache zu übersetzen. Für „Die Fälscher“ galt es nun, den Balanceakt zwischen kurzweiligem Unterhaltungskino und aufwühlendem KZ-Drama zu bestehen, was Ruzowitzky erstaunlich souverän meisterte. Dass dies überhaupt gelingen konnte, liegt daran, dass der Film nicht im Hauptlager des KZ Sachsenhausen spielt, sondern in einem davon abgetrennten Trakt, in dem die Gefangenen eine Vorzugsbehandlung erhielten. Basierend auf den Lebenserinnerungen des ehemaligen KZ-Häftlings Adolf Burger erzählt der Film die wahre Geschichte einer großangelegten Geldfälschungsaktion gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. In ihren vom restlichen Lager abgeschotteten Baracken sollen speziell ausgewählte Häftlinge (Drucker, Schriftsetzer, etc.), angeleitet vom jüdischen Meisterfälscher Sorowitsch, ausländische Devisen herstellen. Das ermöglicht es ihnen, unter einigermaßen erträglichen Bedingungen zu überleben. Gleichzeitig unterstützen sie damit aber auch die Nazis in ihrem Bemühen, den Krieg zu verlängern.
Kammerspielartig inszeniert Ruzowitzky den Gewissenskonflikt der Fälscher als das innere Drama des Films. In die Mäntel, die den Häftlingen zugewiesen werden, sind Namensschilder eingenäht. Jeder weiß, was aus ihren ehemaligen Trägern geworden ist. Und die Ausweise, die den Fälschern als Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden, stammen aus dem Vernichtungslager Auschwitz. Es sind jüdische Dokumente. Als einer der Gefangenen unter den Papieren die Ausweise seiner Familie findet, bricht er zusammen. Wenig später nimmt er sich das Leben. Trügerisch wie die Devisen, die sie für die Nazis herstellen sollen, ist auch die verhältnismäßig bequeme Lage, in der sich die Geldfälscher befinden. Sie wissen, dass das Ende der Fälschungsaktion ihren Tod bedeuten dürfte. Weil er es aber für unmoralisch hält, den Deutschen zu helfen, sabotiert Burger gegen den Willen seiner Mitgefangenen das Unternehmen und bringt damit nicht nur sich selbst in Gefahr. Was mit denen geschieht, die für die Nazis an Wert verlieren, müssen die Fälscher erleben, als einer der Gefangenen schwer erkrankt und kurzerhand erschossen wird. Doch wie hoch ist andererseits der Preis des Überlebens! Während die Fälscher diesseits der Bretterwand sogar Pingpong spielen dürfen, dringen von der anderen Seite Schüsse und Schreie herüber. Deutsche Soldaten lachen. Entsetzt legen die Ohrenzeugen die Pingpongschläger beiseite. Aber dann tritt Burger mit wütend-stolzem Blick zurück an die Tischtennisplatte, um das Spiel demonstrativ fortzusetzen und so allen die Perversion ihrer Lage vor Augen zu führen. Es ist eine prägnante, schauerliche Szene, die den realen historischen Irrsinn pointiert auf die Leinwand bringt. Der Holocaust findet großteils im Off statt und bleibt doch allgegenwärtig. Da mag der von Devid Striesow hinterhältig gut gespielte SS-Mann Herzog noch so jovial daherkommen, alle ahnen, was sich hinter den dünnen Bretterverschlägen abspielt, die den Fälschertrakt vom restlichen KZ trennen. Doch welche Wahl bleibt den Fälschern? Sie dürften den Nazis nicht den Gefallen tun, sich dafür zu schämen, dass sie noch lebten, beharrt Sorowitsch zurecht. In dem schlawinernden Kleinkriminellen und dem radikalen Idealisten Burger personifiziert der Film zwei alternative Handlungswege, die beständig an moralische Grenzen stoßen; wenn auch auf unterschiedlichen Seiten. Es spricht für den Film, dass er nicht einfach Partei ergreift. Dennoch geraten die Charaktere besonders in den Nebenfiguren zu flach, zu sehr auf einen dramaturgischen Konflikt zurechttypisiert. Wo der von Karl Markovics überzeugend gespielte Sorowitsch noch Facetten zeigt und dem Zuschauer Rätsel aufgibt, präsentiert August Diehl seinen Konterpart Burger enttäuschend linear und schablonenhaft. Und die KZ-Wärter sind einfach nur dumpfe Nazis, ohne jedes Gefühl für gut und böse. Wer aber nicht spürt, dass er falsch handelt, hat der noch ein Gewissen? Menschen jedenfalls sind das nicht mehr, allenfalls uniformierte Bestien. Den eigentlichen Konflikt verlagert Ruzowitzkys Film auf die jüdische Ebene. Doch auch hier tauchen Stereotypen auf – wie etwa der brave Bildungsbürger, der sich dagegen verwehrt, zur Beteiligung an einer Straftat (der Geldfälschung) gezwungen zu werden. Unterm Strich sind es vor allem die moralischen Fallstricke und menschlichen Leidenswege der wahren Geschichte, durch die „Die Fälscher“ nachwirkt, nicht so sehr ihre Inszenierung.