Das geordnete Leben eines Ehepaars aus der englischen Upper-Class wird auf eine Zerreißprobe gestellt, als die Frau in einen Autounfall verwickelt wird und ihrem Mann eine Affäre mit einem berüchtigten Lebemann gestehen muss. Hervorragende Romanverfilmung über die Brüchigkeit bürgerlicher Sicherheiten und die ambivalente Kraft von Begehren und Liebe, die bestehende Strukturen zersetzen kann, aber auch hilft, Lebenskrisen zu meistern. Visuell suggestiv und mit Gespür für brillante Dialoge, überzeugt der Film vor allem auch durch seinen exzellenten Hauptdarsteller.
- Sehenswert ab 16.
Geliebte Lügen (2005)
Drama | Großbritannien 2005 | 85 Minuten
Regie: Julian Fellowes
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Filmdaten
- Originaltitel
- SEPARATE LIES
- Produktionsland
- Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Celador Films/DNA Films/UK Film Council/Film Four
- Regie
- Julian Fellowes
- Buch
- Julian Fellowes
- Kamera
- Tony Pierce-Roberts
- Musik
- Stanislas Syrewicz
- Schnitt
- Alex Mackie · Martin Walsh
- Darsteller
- Tom Wilkinson (James Manning) · Emily Watson (Anne Manning) · Hermione Norris (Priscilla) · John Warnaby (Simon) · Rupert Everett (Bill Bule)
- Länge
- 85 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Drama | Literaturverfilmung
Heimkino
Diskussion
Das Ehepaar Manning führt ein sicheres Upper-Class-Leben zwischen London und einem eleganten Landsitz in der verschlafenen britischen Countryside. James Manning ist ein erfolgreicher Anwalt. Wenn er morgens mit der Aktentasche das Haus verlässt, gibt ihm seine Frau Anne an der Tür einen Abschiedskuss; wenn er nach Hause kommt, holt sie ihn mit dem Auto vom Zug ab und hält ein perfektes Abendessen bereit. Der Umgang des Paares ist zwar ohne Leidenschaft, aber liebvoll-höflich – bis zu jenem Nachmittag, an dem die beiden in der Küche des Landsitzes aufeinander treffen. Anne schneidet gerade Gemüse fürs Dinner, doch Unheil liegt in der Luft, und die alltägliche Verrichtung mutet seltsam grotesk an. Denn es hat einen tragischen Unfall gegeben: An dem Abend, an dem die Mannings zu einer Party geladen hatten, wurde nicht unweit ein Fahrradfahrer von einem Landrover erfasst und kam ums Leben. Der Tote war der Mann der Haushälterin der Mannings; der Täter, so vermutet James zunächst, der Society-Lebemann Bill, an dessen Rover er eine verdächtige Beule ausgemacht hatte. In Wirklichkeit aber war Anne an dem Unfall Schuld, denn sie saß an jenem Abend am Steuer von Bills Wagen. Nun möchte Anne zur Polizei gehen und sich selbst anzeigen; James, der zuvor noch Bill zum selben Schritt drängen wollte, sieht das jedoch anders. Er will nicht, dass Anne ins Gefängnis muss, sondern möchte, dass alles so bleibt, wie es ist. Aber Anne ist nicht mehr willens, die Fassade der gutbürgerlichen Ehe aufrecht zu erhalten, und so beichtet sie James beim Gemüseschneiden ruhig, ohne sonderlichen Reue-Gestus, aber auch ohne Häme den Grund, warum sie am Steuer des Wagens saß: Sie hatte mit Bill geschlafen; die beiden haben eine Affäre. Auf diese Eröffnung hin muss James sich erst einmal übergeben. Dann versucht er verzweifelt, den Status quo wieder herzustellen: Anne soll ihr Verhältnis zu Bill beenden; der Unfall soll unter den Tisch gekehrt werden. Doch in beiden Belangen scheitert James und muss zusehen, wie seine Welt allmählich zerbröckelt.
Der Schauspieler und Drehbuchautor Julian Fellowes legt mit „Geliebte Lügen“, einer Adaption von Nigel Balchins Roman „A Way Through the Woods“ (1951), ein glänzendes Regiedebüt vor. Wie bereits als Autor für Altmans „Gosford Park“ (fd 35 441) und Mira Nairs „Vanity Fair“ (fd 36 982) erweist er sich als brillanter Dialogschreiber und kluger Beobachter der High Society, dem der komplizierte Spagat gelingt, schonungslos die Lebenslügen der Figuren bloßzulegen, ohne sie zu denunzieren und ihnen ihre Würde und das Mitgefühl der Zuschauer zu nehmen. Das wohlgeordnete, großbürgerliche Ambiente der Mannings wird von Fellowes, seiner Ausstatterin Alison Riva und seinem Kameramann Tony Pierce-Roberts in ausgesucht geschmackvollen Bildern in gedeckten Farben in Szene gesetzt; zugleich wirkt deren Textur jedoch rau, als solle damit auf die Brüchigkeit der Oberfläche verwiesen werden. Der Film beginnt mit einem ruhigen Blick auf den beschaulichen Provinzort, mit viel Grün, einem englisch-grauen Himmel und kleinen, malerischen Häuschen: ein friedvolles Bild, würden im Vordergrund nicht die Grabsteine eines kleinen Friedhofs auf die kommende Tragödie verweisen. Diese Tragödie, den Unfall und das Zerbrechen der Ehe, lässt Fellowes nicht in die Zerstörung seiner Figuren münden, vielmehr wachsen diese am Hervorbrechen der bisher hinter der schönen Fassade schlummernden, unterdrückten und verkümmerten Emotionen. „Geliebte Lügen“ entwickelt sich zum großen Liebesfilm jenseits von Kitsch, Romantik und simplem Happy End. Was nicht zuletzt das Verdienst der hervorragenden Darsteller ist: Rupert Everett, Emily Watson, vor allem aber Tom Wilkinson verleihen der menage à trois eine Intensität, die einen bis zur letzten Minute gefangen nimmt. Wilkinson erweist sich einmal mehr als Charakterdarsteller, der sich ohne weiteres mit den Besten seiner Zunft messen kann; wie er hinter der ruhigen, beherrscht-biederen Fassade Mannings dessen Gefühle – Wut, Hass, Trauer, Zärtlichkeit – durchschimmern oder -brechen lässt, das ist Schauspielkunst vom Feinsten.
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