Wer wäre das nicht gerne: in der Stimmung für die Liebe? Und doch ist der Titel jenes gleichnamigen alten Jazz-Standards voller traurige Ironie. Nicht anders war es in Wong Kar-wais letztem Film: In „Happy Together“
(fd 32 738) kündete ein melancholischer Pop-Song davon, dass es das Glück für die meisten Menschen nur noch im Konjunktiv gibt. Auf ganz eigentümliche Art haben Wongs Filme, die von Liebe als einem Zustand intensiv empfundener Abwesenheit erzählen, aber durchaus ihre Möglichkeiten, Liebesglück zu vermitteln - wofür sich ausgerechnet Quentin Tarantinos gern als Zeuge zur Verfügung stellt: Er hat bekanntlich einst über Wongs „Chunking Express“
(fd 31 851) „geweint, weil es so schön ist, einen Film derart zu lieben“. Nun hat es Wong wieder einmal fertig gebracht, auch die notorisch Einsamen daran zu erinnern, dass man sich noch verlieben kann. Zumindest in Filme wie „In the Mood for Love“. In bis ins kleinste Detail arrangierten, von magisch-tiefen Farben beleuchteten Bildern führt er zurück in die Zeit seiner Kindheit in den frühen Sechzigern. Im Hongkong des Jahres 1962 ziehen zwei Ehepaare in dasselbe Mietshaus. Der Zeitungsredakteur Chow begegnet dabei Li-zehn, der Frau seines Nachbarn. Bald sehen sie sich fast täglich und unterhalten sich über Alltäglichkeiten, die plötzlich eine beklemmende Bedeutung erhalten: Geschenke, die sie von ihren jeweiligen Ehepartnern erhalten haben, teilen ihnen mit, dass sie betrogen werden. Wer „Chungking Express“ kennt, der weiß, welche Bedeutung Objekte in den Filmen dieses Regisseurs haben können. Da wurde die Wohnung des abwesenden Geliebten zur Spielwiese für Fantasien. Jetzt nehmen die Gegenstände gewissermaßen Rache, in dem sie für die traurige Seite der Wahrheit stehen.Zwar verliebt sich Chow in seine Leidensgefährtin Li-zehn, doch an Partnertausch wäre niemals zu denken. Schließlich bleibt Chow nur der Auszug aus dem traurigen Mietshaus. Eine ungewöhnliche Coda lässt Wong seinem Film folgen: Nach unscharfen Videoaufnahmen eines Besuchs von DeGaulle in Kambodscha sieht man seinen Protagonisten an demselben Ort: Chow besucht eine verfallene buddhistische Tempelanlage. Von dieser gleichermaßen spirituellen wie dokumentarischen Sequenz geht nicht nur ob ihrer Unerwartbarkeit eine unmittelbare Kraft aus: Ähnlich Roberto Rossellinis „Reisen in Italien“ trifft das Erhaben-Ruinöse in der unverklärten Fotografie ganz intuitiv eine durch die Erzählung angesprochene Seelenlage. Alles in Wongs Film dreht sich um die Erfahrung von Verlust. Dessen mühevolle und zum Scheitern verurteilte Kompensation durch die Rekonstruktion hatte schon die Dreharbeiten nachhaltig bestimmt: In langwieriger Produktionszeit verstieg sich Wong immer mehr in die minutiöse Rekonstruktion einer im schnelllebigen Hongkong umso flüchtigeren Vergangenheit. Im Hauptteil des Films gelingt es Wong Kar-wai mit einem bezwingenden Trick, den Zuschauer ausschließlich für die Perspektive seiner beiden Hauptfiguren zu interessieren: ihre Ehepartner kommen im Film schlichtweg nicht vor, wodurch die Innenansicht eines Gefühls von Verlassenheit entsteht. Wong betrauert hier vor allem eine Epoche, die es nicht mehr gibt, und an die in Hongkong längst nichts mehr erinnert. Wieder einmal spielt dabei die Musik eine entscheidende Rolle: herrlich schwülstige Tangos, in miserablem Spanisch gesungen von Nat King Cole. Von Film zu Film sieht man diesen großen Regisseur reifen, ohne dass seine Neugier und spielerische Intelligenz von der emotionalen Strenge ablenken könnte. So scheint es, als sei gerade dieser Neuerer des Kinos sein letzter wahrer Klassiker: Wenn es heute noch Filme gibt, die die Zeiten überdauern, so sind es seine – auch wenn einen dieses Bekenntnis in die Rolle eines ähnlichen Nostalgikers rückt.