Der Liebesbrief (1999)

- | USA 1999 | 87 Minuten

Regie: Peter Chan

Ein Liebesbrief mit unbekanntem Absender sorgt in einer Kleinstadt in Neu-England für eine Mittsommernachts-Sexkomödie, in deren Verlauf eine Buchhändlerin bei einem weit jüngeren Mann eine Liebe im Vorübergehen genießt, bevor sich der Reigen weiterdreht. Die unverhohlen altmodische Idee des Films findet erst in der liebevollen und detailreichen Inszenierung zu einer spielerischen Eleganz, deren generationsverbindende Lebensfreude geradezu ansteckend wirkt. (Videotitel: "Love Letter - Der Liebesbrief") - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE LOVE LETTER
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Sanford-Pillsbury/DreamWorks
Regie
Peter Chan
Buch
Maria Maggenti
Kamera
Tami Reiker
Musik
Luis Enriquez Bacalov
Schnitt
Jacqueline Cambas
Darsteller
Kate Capshaw (Helen) · Blythe Danner (Lillian MacFarquhar) · Gloria Stuart (Eleanor MacFarquhar) · Ellen DeGeneres (Janet Hall) · Tom Selleck (George Matthias)
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Universal (16:9, 1.78:1, DS engl./dt.)
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Diskussion
In Neuengland scheint es derzeit ein Problem mit der Post zu geben. Kevin Costner bleibt nichts anderes übrig, als seinen Liebesbrief als „Message in a Bottle“ (fd 33 821) der See anzuvertrauen, und im verschlafenen Nest Lolloby on the Sea taucht auf der Theke eines Buchladens ein Schreiben ohne Umschlag auf, dessen Inhalt geneigt ist, seine Leser in einer für anonyme Briefe ganz unüblichen Weise in spontane Verzückung versetzt. Was ist so Besonderes an dieser einen Seite Text? Nun, es ist in Liebesbrief. Ausgefeilt in seiner Wortwahl, leidenschaftlich zugleich, doch niemals peinlich, etwas zu schön vielleicht für den Hausgebrauch und gerade deshalb natürlich für jeden, der ihn liest und sich angesprochen fühlt, ein Geschenk des Himmels. Die Buchhändlerin Helen entdeckt ihn unter ihrer Post und verdächtigt zunächst ihren alten Freund George, der schon lange ein Auge auf sie geworfen haben könnte und sich nun, da seine Scheidung gerade geregelt wird, allen Anlass hätte, dies zu gestehen. Aber da ist noch der 20-Jährige, gut aussehende Johnny, der über die Sommerferien in ihrem Laden aushilft. Er ist zwar gut 20 Jahre jünger als die noch immer attraktive Frau, aber er umschwärmt die in Liebesdingen lethargisch gewordene Helen auffällig und rezitiert sogar ganze Passagen des Textes auswendig. Dies tut er zwar aus Liebe, doch in erster Linie, weil er seinerseits in ihr die Absenderin vermutet. Damit nicht genug: Als der Brief Helens bester Freundin Janet in die Hände fällt, hält sie sich für das Objekt von Georges Begierde und bricht mit ihrer Freundin, die ihr diese Aufmerksamkeit nicht zu gönnen scheint. Die Geschichte beginnt ein wenig faul zu werden, der begehrte Brief kursiert immer noch, obwohl jeder der so Beglückten doch allen Grund haben müsste, das Schreiben an sich zu nehmen oder aus dem Verkehr zu ziehen. Der Dorfpolizist kopiert im Vorrübergehen das Maschinen geschriebene Original, um es seiner alten Liebe zukommen zu lassen. Und George macht Helen tatsächlich eine Liebeserklärung und erweist sich als potenzieller Wiederholungstäter – entdeckt diese doch in einer alten Postkarte ein verstecktes Kärtchen, das eindeutige Absichten verraten hatte. Während für den an seiner Liebe zu Helen in aller Unschuld glaubenden Johnny der Sommer zu Ende geht, disqualifiziert er sich unfreiwillig als Briefeschreiber, indem er nun tatsächlich zur Feder greift: „Helen, ich liebe dich mehr als mein Auto.“

Schon zu Beginn hatte Helen ein beziehungsreiches Shakespeare-Zitat als Losung auf die Tafel ihres Ladens geschrieben, das vor einer sommerlichen Verrücktheit warnte. Während sich das Karussell noch einmal um die Achse dreht wie bei Oberon und Circe, kommen mit Helens Mutter und Großmutter noch andere Verdächtige ins Spiel, die vielleicht sogar einer so hoch stehenden Stilübung mächtig wären. Filme dieser Sorte klingen furchtbar kompliziert, wenn man sie erzählt, und sind doch federleicht, wenn man sie sieht. Als diese Filmform in Mode war und Ernst Lubitsch den „Marriage Circle“ drehte oder William DeMille mit „Midsummer Madness“ den schönsten, leichtesten und leider vergessenen Beitrag zum Genre, da war von den Mitwirkenden gerade einmal Großmutter Gloria Stuart im kinofähigen Alter. Wie sehr Regisseur Peter Chan vom Stummfilm beeinflusst ist – Murnau zählt zu seinen Vorbildern – , verrät eine der vielen kleinen Nebensächlichkeiten in seinem ersten amerikanischen Film: Aus einer großmütigen Geste heraus versucht Helen, ihren jungen Liebhaber mit einer gleichaltrigen Angestellten ihres Ladens zu verkuppeln; sie schenkt beiden Karten für das Programmkino, wo gerade „Sherlock Junior“ mit Buster Keaton läuft. „Ich dachte, sie meinte Diane Keaton“, sagt das Mädchen, bevor die beiden den Saal verlassen. Der Junge ergänzt: „Und ich dachte, sie meinte Michael Keaton.“ In dieser kleinen Geschichte bekennt sich Chan selbst zu einem vergangenen Kino, dem er eine Kunst des visuellen Erzählens abgeschaut hat, die man nicht müde wird zu genießen. Helen und Johnny begegnen sich das erste Mal sexuell, als die Frau lediglich seine Hand hinter einer Wand hervorragen sieht, hinter der er sich versteckt hat. In der anrührendsten Szene fängt sie aus Weltschmerz an zu weinen, als ihr der Polizist gerade ein Ticket ausgestellt hat. Der glaubt, es sei wegen des Tickets und reißt es in tausend Stücke – nur Helen hört nicht auf zu weinen. Auch in Chans „Hongkong Love Affair“ (fd 33 432) war Hauptdarstellerin Maggie Cheung der ältere Teil der Beziehung, was in China ungewöhnlich ist. Chans Menschenbild ist das Ideal einer spielerischen Lebens- und Liebesauffassung, die generationsübergreifend funktioniert. Niemand verfällt in seinen Filmen in einer altersbedingten „Peter Panik“, Gloria Stuart nicht, und auch nicht der sichtlich gealterte Tom Selleck. Man mag dies als naiv betrachten, aber wenn man den mit jungenhaftem Charme gesegneten Peter Chan kennen lernt, zweifelt man daran, dass es für ihn eine andere Welt geben könnte als das unwiderstehliche Nimmerland seiner Liebes- und Sexkomödien.
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