- | Großbritannien 1997 | 105 Minuten

Regie: Philip Saville

Im Jahr 1977 hat sich ein noch jugendlich wirkender Mann sein Leben mit Frau und Baby in der gediegenen Londoner Vorstadtsiedlung Metroland eingerichtet, deren Bewohner dem gehobenen Mittelstand angehören. Als unerwartet sein ehemals bester Freund auftaucht, mit dem er einst genau dieser Spießigkeit entkommen wollte und Paris der Fixpunkt ihrer Utopien hieß, glaubt er, die Weichen seines Lebens umstellen zu können, entscheidet sich dann aber doch für seine Familie. Auf drei Zeitebenen angesiedelte, hervorragend gespielte Literaturverfilmung, die weitgehend überzeugend den archaischen Konflikt einer Sinnkrise bearbeitet, sich mitunter aber an der komplizierten Struktur verhebt.
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Filmdaten

Originaltitel
METROLAND
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Pandora Filmproduktion
Regie
Philip Saville
Buch
Adrian Hodges
Kamera
Jean-François Robin
Musik
Dominic Crawford-Collins · Mark Knopfler
Schnitt
Greg Miller
Darsteller
Christian Bale (Chris Lloyd) · Lee Ross (Toni) · Emily Watson (Marion) · Elsa Zylberstein (Annick) · Rufus (Henri)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
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Diskussion
„Metroland ist kein Ort, sondern eine Gemütsverfassung“, heißt es an zentraler Stelle. Man schreibt das Jahr 1977. Der noch jugendlich wirkende Chris lebt seit einigen Jahren hier in Metroland, einer Londoner Vorstadtsiedlung im Grünen, von der „Tube“ oberirdisch angefahren, bewohnt von künftigen, augenblicklichen und pensionierten Bankern sowie deren familiärem Anhang. Vor den sorgfältig gepflegten Vorgärten stehen Limousinen der gehobenen Mittelklasse, die in ritueller Wiese gewaschen werden, malerisch die Umgebung, man spielt Tennis und Golf. Wer hier gelandet ist, erwartet keine dramatischen Wendungen mehr vom Leben. Man hat sich eingerichtet im angenehmen, wenn auch nicht übermäßig üppigen Wohlstand, genießt die damit verbundenen Privilegien. Chris und seine Frau Marion sind Teil dieses idyllischen Gemeinwesens, ihr Kind wächst in wahrhaft behüteter Umgebung auf. Nichts scheint den Gleichlauf der Dinge aufhalten zu können. Und doch bricht diese Kulisse des Etabliertseins in wenigen Minuten in sich zusammen. Mitten in der Nacht schrillt das Telefon, Chris’ bester Freund Toni meldet sich am anderen Ende der Leitung. Nach jahrelanger Weltenbummelei ist er in die Heimat zurückgekehrt, um sich mit Chris zu treffen. Schockiert über dessen kleinbürgerlichen Alltag, erinnert er an die gemeinsamen Träume und Utopien. Mitte der 60er-Jahre hatten sie nichts anderes im Sinn, als der erstickenden Atmosphäre ihrer Kindheit zu entfliehen. Paris mit seiner Weltoffenheit, seinen Jazz-Clubs, dem Existenzialismus und den schönen Frauen erschien als Fixpunkt, als Inbegriff eines Gegenentwurfs zur spießigen Londoner Suburbia. Tatsächlich hatte es Chris schon bis an die Seine geschafft, sich als Künstler gefühlt und sich in die sinnliche Annik verliebt. All dies wird durch Tonis plötzliches Auftauchen wieder aufgewühlt. Bald stellt sich für Chris eine handfeste Sinnkrise ein: hat er damals wirklich die richtige Entscheidung getroffen, als er sein unstetes Bohème-Leben in Paris zugunsten der Sicherheit an Marions Seite einzutauschen beschloss? Tonis Besuch trifft ihn auf dem linken Fuß, er ist anfällig für die Vorhaltungen des Freundes. Gerade beginnen die ewigen Pendeleien zwischen Wohn- und Arbeitsort an seinen Nerven zu zehren, zuhause dreht sich der Alltag im Kreis, die Leidenschaft seiner Beziehung zu Marion ist allmählich verblasst, und immer greint das 18-monatige Baby. Hinzu kommt die in London durch die Punk-Revolte ausgelöste Aufbruchstimmung, auf die Chris und Toni bei ihren nächtlichen Ausflügen stoßen und die ihnen das Gefühl einer Wiederbegegnung mit der eigenen Jugend vermittelt. Chris gerät bald ernsthaft ins Schwanken, ob es nicht an der Zeit wäre, doch noch einmal die Weichen seines Lebens ganz neu zu stellen. Vielleicht bietet sich zum letzten Mal dafür eine Gelegenheit. Philip Savilles Filmerzählung gliedert sich in drei zeitliche Ebenen: die Vorstadtjugend in Metroland, Chris’ Jahre in Paris, schließlich die Rahmenhandlung. Alle drei Phasen sind an einschneidende kulturelle bzw. politische Zäsuren geknüpft, nämlich an die jugendliche Emanzipation durch die Beatmusik, die politischen Unruhen von 1968, und die No-Future-Attacken des Punk. Eine durchaus brauchbare Konstruktion, die die Abenteuer der fiktiven Helden mit abrufbaren Topoi aus dem Erlebnisraum des potenziellen Zuschauers verbindet, der ja zusätzlich auch noch eine vierte, die aktuelle Zeit mitdenkt. Leicht gemacht haben es sich Regie und Drehbuch mit den sich notwendigerweise ineinander verschachtelnden Rückblenden nicht. Das ehrgeizige Unterfangen gelingt nicht immer, manchmal geraten die Zeitsprünge in ihrer Sinnfälligkeit banal, manchmal verwirrend. Insgesamt aber kann „Metroland“ die angelegte archaische Konfliktsituation glaubhaft umsetzen. Dass sich Chris zuletzt für einen Verbleib in seiner Kleinbürgeridylle entschließt, fällt etwas weniger ambivalent aus als es im Stoff angelegt ist, sodass der Schritt einen leicht aufgesetzten, wertkonservativen Drall erhält. Sehr schön sind hingegen einige Details in der Inszenierung, die zeigen, wie schmal der Grat zwischen gegenseitiger Ergebenheit und Entfremdung sein kann. Chris findet an seiner französischen Geliebten Annick zuerst genau jene Dinge bezaubernd, die ihn schon wenig später umso mehr abstoßen: ihre Spontaneität und Direktheit oder auch nur die Gewohnheit, sich nach dem Kaffeetrinken den Mund mit den eigenen Haaren abzuwischen. Neben den gediegenen darstellerischen Leistungen (hervorragend: Christian Bale) ist der Film durch eine Reihe von Binnenverweisen auf die Kompliziertheit britisch-französischer Mentalitätsunterschiede interessant. Im Jahr 1977 hat sich ein noch jugendlich wirkender Mann sein Leben mit Frau und Baby in der gediegenen Londoner Vorstadtsiedlung Metroland eingerichtet, deren Bewohner dem gehobenen Mittelstand angehören. Als unerwartet sein ehemals bester Freund auftaucht, mit dem er einst genau dieser Spießigkeit entkommen wollte und Paris der Fixpunkt ihrer Utopien hieß, glaubt er, noch einmal die Weichen seines Lebens umstellen zu können, entscheidet sich dann aber doch für seine Familie. Auf drei Zeitebenen angesiedelte, hervorragend gespiele Literaturverfilmung, die weitgehend überzeugend den archaischen Konflikt einer Sinnkrise bearbeitet, sich mitunter aber an der komplizierten Struktur verhebt.
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